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Resümee zum 35. Jahrestag des Beitritts der DDR zur alten Bundesrepublik:

Hartmut Richter

 

Gedankt sei Mitarbeitern, der Opferbeauftragten Evelyn Zupke, Mitarbeitern der UOKG und anderer Verbände für ihren Einsatz um die Anerkennung von durch das SED-Regime zugefügter Beschädigungen für Betroffene. Trotz erlassener Gesetze werden diese jedoch nicht umgesetzt.

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Aus Sicht Betroffener hat sich jedoch bis auf eine Erhöhung der Opferrente, Zuwendung genannt, seit Juli des Jahres von 330 auf 400 €, für Verfolgte durch das SED-Regime nichts geändert. Empathielose Sachbearbeiter, mitunter einst angepasst und privilegiert, prüfen gestellte Anträge auf Anerkennung von Beschädigungen. Da diese, wie es scheint, überlastet oder wie erkennbar überhaupt nicht willens - es war ja nicht alles schlecht - sind, diese zu bearbeiten warten Antragsteller sehr lange auf Antworten bevor mitunter erst durch resolutes Nachfragen sich Sachbearbeiter entsprechender Ämter widerwillig damit befassen. Nach wie vor müssen Betroffene selbst ihre durch subtilere Methoden wie Zersetzung zugefügten Beschädigungen, so auch berufliche Benachteiligungen selbst beweisen. Sollte hier ab Juli des Jahres nicht eine Beweisumkehrpflicht gelten?

 

Noch immer können Betroffene eben nicht die vielen sie betreffenden Stasiakten im vollen Umfang so wie Mitarbeiter entsprechender Ämter oder auch Historiker einsehen. Vor einigen Jahren prozessierten ehemalige hauptamtliche und inoffizielle Mitarbeiter gegen einst von ihnen verfolgte Andersdenkende, wenn diese in Memoiren Namen nannten und Umfang der Bespitzelungen beschrieben. Ehemalige Avantgardisten fühlten ihre Persönlichkeitsrechte verletzt, werden im Gegensatz zu ehemals Verfolgten des SED-Regimes zudem juristisch von einstigen privilegierten DDR-Juristen bestens beraten und vertreten. So wurden im Einigungsvertrag, um zur Vereinigung zu gelangen, viele Zugeständnisse für alte SED-Eliten und mit ihnen Verstrickter ausgehandelt.

 

Andererseits könnten Historiker ja mal prüfen, wie lange denn Hardliner, alte Obristen sich in ihren Bunkern bis an die Zähne bewaffnet ohne die Hilfe sowjetischer Panzer hätten verteidigen können. So wurde hinübergerettet, was hinüberzuretten möglich war, selbst die Partei, die selbst so besungen immer recht hatte. Dank der Überzeugungsarbeit alter, die Realität begreifender SED-Eliten wie Modrow und Gysi ergaben sie sich. Sie ergaben sich jedoch nicht bedingungslos, sind sehr weich und bestens versorgt im vereinten Deutschland gelandet. So können wir heute dankbar über die friedliche Revolution reden und schreiben.

  

Grundsätzlich werden berechtigte Anträge erst nach mitunter jahrelanger Wartezeit überhaupt bearbeitet. Gesundheitliche und vor allem durch subtilere Methoden wie Zersetzung entstandene psychische Beschädigungen werden von Sachbearbeitern, die mitunter die DDR noch als kommode Diktatur verinnerlicht haben, nicht erkannt. So werden Antragsteller von den Ämtern an verschiedene Psychologen überwiesen. Diese auch und besonders im Westen sozialisierten, inzwischen mitunter ergrauten Psychologen haben ein seit Beginn der Entspannungspolitik eher weichgezeichnetes Bild des SED-Regimes verinnerlicht. Hier muss nach wie vor die Ursächlichkeit der physischen und psychischen Leiden von Betroffenen nachgewiesen werden. Aus verschiedenen Gefängnissen freigekaufte politische Häftlinge wurden schon im Bus zum Notaufnahmelager Giessen von Sachwaltern wie dem Rechtsanwalt Dr. Vogel darum gebeten, über ihre Hafterlebnisse nicht zu sprechen. Dies würde den komplizierten diplomatischen Prozess mit dem SED-Regime gefährden und belasten. So verdrängten Betroffene durch das MfS zugefügte Verletzungen. Sie hätten mit Ankunft im Westen tiefenpsychologisch behandelt werden müssen. Gewöhnlich werden Erstantragsteller zur Feststellung beschriebener Beschädigungen nach langen Wartezeiten und aufwändigen psychologischen Begutachtungen abgewiesen, was sie zusätzlich traumatisiert.

 

Beginnend mit der etwa 1963 unter Brandt und Bahr beginnenden "Wandel durch Annäherung" genannten Entspannungspolitik wurden Menschenrechtsverletzungen im Ostblock des Ost-Westdialogs wegen immer weniger thematisiert. Im Gegensatz zu baltischen Staaten, die durch Proteste auch und besonders zum Zerfall des Sowjetsystems beigetragen hatten, setzte man im vereinten Deutschland auf eine nun "Wandel durch Handel - aus Feinden werden Freunde" genannte Politik. Die Konsequenzen, das naive Gewährenlassen alter Eliten des implodierten Sowjetsystems erfahren wir inzwischen schmerzhaft und besonders einst und durch das SED-Regime Verfolgte und Benachteiligte.

 

Hartmut Richter