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Minderheitsregierung - "Wasch mir den Pelz, mach mich nicht naß!"

Minderheitsregierung, was bedeutet das eigentlich?

Zuerst einmal wäre festzustellen, nicht das Parlament wäre der Sieger, sondern der Populismus, der jeglicher Konstruktivität konsequent vors Schienbein treten würde. Weil eine Minderheitsregierung telegener Dauerwahlkampf um die täglich besten Plätze wäre. Man könnte auch Dauer-Sondierungs-Stresseinlage dazu sagen. Wenn das passiert, meutert die Bevölkerung über kurz oder lang. Die Leute waren nach vier Wochen breitlatschen von Jamaika der Sache schon überdrüssig, mich ausdrücklich mit eingenommen.

Als Praktiker mit etwas Erfahrungsschatz möchte ich das Wolkenkuckucksheim „Minderheitsregierung“ auf den Boden des Politikwaldes herunterholen. Ich nehme den Bundeshaushalt als Beispiel:

Der Bundeshaushalt 2018 ist noch nicht beschlossen. Das ist in Wahljahren normal. Weil die Haushaltberatungen normalerweise im Dezember abgeschlossen werden. Was aber nach Wahlen noch nicht möglich ist, weil erst die neue Regierung mit den Ministeriumszuschnitten und damit zusammenhängend den spiegelbildlichen Parlamentsausschüssen gebildet werden müssen. Somit kommt es im Folgejahr nach dem Wahljahr erst einmal zur vorläufigen Haushaltführung durch die Bundesregierung. D.h., der Vorjahreshaushalt wird gezwölftelt und damit gibt es nur die vorläufige Fortführung der Geschäfte.
Der 2018er Haushalt wird also erst frühestens ab Januar im Haushaltsausschuß beraten und eventuell dort im März beschlossen. Dann ist der aber noch nicht durch den Bundesrat und zurück im Bundestag. Erst danach kommt er mit Unterschrift des Bundespräsidenten ins Bundesgesetzblatt. Pech für die Kuh Elsa. Öffentliches und zermürbendes Zeter und Mordio werden lange andauern.

Das war es aber noch lange nicht. Der Bundeshaushaltsentwurf  2019 muss im regulären Verfahren durch die Minderheitsregierung erstellt werden. Die Chefgespräche der Minderheitsministerien mit dem Minderheitsbundesfinanzminister laufen in der Regel bis Ende April/Anfang Mai. Mit Kabinettsbeschluss wird der Entwurf dann dem Bundestag zugeleitet. Der wird vor der Sommerpause in erster Lesung beraten und in die Ausschüsse überweisen. Das oben beschrieben Zeter und Mordio werden spätestens von den Chefgesprächen an zum hässlichen Dauerbrenner zwischen Minderheitsregierung und den Fraktionen, die alles bestimmen und letztlich aber nicht dabei gewesen sein wollen.

 

Betrachten wir die Einzelpläne. Tut mir leid. Das muss sein. Wer wird zum Bleistift dem Verteidigungshaushalt zustimmen? Der wird doch als erstes populistisch ausgeschlachtet werden. Jede Wette! Mit dem Bereich Arbeit und Soziales wird das genauso bescheuert ablaufen. Eigentlich mit allen Einzelhaushalten.
Alle Fraktionen wollen popularitätssteigernd was haben oder kürzen, mit der Regierung mitgehangen werden will jedoch keiner. Wetten?

 

Die mickrige kleine Bundesregierung wird also täglich mit dem Haushalt vor die Wände laufen. Ergo, Ende März mit dem Scheitern der Haushaltsausschussberatungen zum Haushalt 2018 ist Schluss mit lustig und die SPD muss dann doch in die GroKo. Lächerlich, das alles.

 

Angenommen, es passiert noch bis März auf dem Globus irgendein ganz schlimmer Scheiß bspw. durch den Zündler Kim oder den IS, was wird dann eine mickrige Minderheitsregierung wohl mit den feilschenden Populisten aller Lager koordinieren können?

Es wird an der neuen starken Frau der SPD liegen, diese Republik zu stabilisieren. Andrea Nahles muss Frau Merkel genauso verhindern wie Martin Schulz, Heiko Maas, Barbara Hendricks und weitere Aspiranten im Wartestand.

Ach so, die Desintegrationsbeauftrage Ödipus muss die Bildfläche selbstverständlich auch verlassen. Seyran Ates, Ahmad Mansour, Hamed Abdel-Samad, Erol Özkaraca u.a. würden Integration vom schreckgespenstigen Image befreien können.

Wenn GroKo, dann ohne Merkel!

Mein Freund Ernst Eichengrün schrieb mir zum Thema folgendes:

GroKo – was sonst!

 

Die Handlungs-Alternativen haben sich nach dem Fehlschlag von Jamaika überraschend schnell geklärt. Es bleibt nur die Große Koalition. Für Nabelschau bleibt der SPD keine Zeit. In der SPD meinen immer noch viele, an der Absage vom Wahlabend festhalten zu müssen, so, als handele es sich um eine langfristige, fundamentale, quasi  programmatische Verpflichtung. Doch es war nichts weiter als eine taktische Aussage. Von der jetzt abzurücken, wäre auch keineswegs eine Wähler-Täuschung. Eine solche läge nur vor, wenn sich die SPD vor der Wahl verpflichtet hätte, auf keinen Fall mit der Union zu koalieren. Das aber hat sie nicht getan. Ihre einzige koalitions-Aussage vor der Wahl war nur der ausdrückliche Verzicht auf eine Absage an die Linksaußenpartei – mit ein Grund für die Verluste am 24. September.

 

Ohnehin war die Oppositions-Rolle von Anfang an keine Erfolgs-Garantie: Opposition ist keine Reha-Kur. So wichtig es wäre, das eigene Profil zu schärfen, fragt sich nur, auf welchem Politik-Feld. Das Wichtigste, was die Mehrheit der Wähler von einer, von jeder Opposition erwartet, ist eine klare Gegen-Position zur Flüchtlings-Politik. Die aber ließ die SPD vor der Wahl vermissen – und sie hätte das auch nicht in der Opposition gebracht.

 

Es fragt sich natürlich, wie sie sich zu dieser Frage in der Regierung verhält! Liefen die Koalitions-Verhandlungen so, dass die SPD in der Flüchtlings-Politik einfach die Jamaika-Verhandlungsergebnisse übernähme, also in die Rolle der Grünen schlüpfte, so käme dabei eine Politik heraus, die den Unmut der Wähler gerade in dieser Frage nicht aufhöbe.

 


Nachtrag:
Gerade kommt jetzt die Tolerierung einer Minderheits-Regierung durch die SPD in die Debatte.

 

Das wäre für die SPD ein Kompromiss mit sich selbst. Ein fauler Kompromiss! Das Dümmste, was sie machen kann: Sie müsste immer wieder für Kompromiss-Verhandlungen mit der Union zur Verfügung stehen, die nicht in aller Öffentlichkeit geführt werden können. Sonst hätten wir einen permanenten Wahlkampf. Für ihre Konzessionen könnte sie andererseits ohne öffentliche Konflikte nicht massiv werben. Ihr Personal könnte sich in keinem Fall  profilieren. Und wenn die Union etwas nicht mit der SPD schafft, wird sie sich wechselnde Mehrheiten bei anderen Parteien suchen. Die SPD kann so keinen Blumentopf gewinnen. Blamabel. Eine stabile Regierung bekämen wir so auch nicht.


22.11.2017