

Annette Heinisch
Politik war selten so unterhaltsam wie derzeit. Mit Trump kam das Drama, ganz großes Kino. Der Eklat zwischen ihm und Elon Musk ist bereits von dem Kollegen Gerd Buurmann klug besprochen worden. Er hat vor allem treffend herausgearbeitet, dass zwei konträre Weltbilder aufeinander prallen: Einerseits Trumps nationalistisch - protektionistisches Denken gepaart mit einer kräftigen Prise Imperialismus, so zumindest der Eindruck der Kanadier und Grönländer. Andererseits der eher freiheitlich orientierte Elon Musk, der wie Javier Milei für Welthandel und den “Mini - Staat” steht.
Diese Gegensätze sind definitiv keine “peanuts”, sondern sich wechselseitig ausschließende Grundüberzeugungen hinsichtlich der Aufgaben des Staates. Schaut man sich die Persönlichkeitsstrukturen der beiden an, so ist klar, dass es zu einem Bruch kommen musste. Manch aufmerksamer Beobachter hat dies öffentlich vorausgesagt, so der bekannte Unternehmer und Autor Dr. Dr. Rainer Zitelmann, denn: “Trump duldet nur Leute, die sich ihm total unterordnen. Musk ordnet sich niemandem unter. Und schon gar nicht einem Mann, dem er sowohl von der Intelligenz als auch als Unternehmer so sehr überlegen ist.”
Was dabei allerdings gern übersehen wird: Anders als Politikern geht es Musk nicht um politische Ideologien. Ihm geht es um Fakten. Politisch ist er bestenfalls unbedarft, aber mit Zahlen kennt er sich aus. Was ihn umtreibt und überhaupt dazu brachte, in die Politik zu gehen, war und ist der drohende Bankrott der USA.
Fatale Lage
Die fatale Lage der USA hatte ich bereits vor einiger Zeit beschrieben:
“Da wir aber in der geopolitischen Lage leben müssen, muss diese erst einmal zur Kenntnis genommen werden: Dazu gehört anzuerkennen, dass die USA eine Weltmacht sind, die mit dem Niedergang kämpft.
Sie sind in einem hohen Maße überschuldet, was die Handlungsfähigkeit eng begrenzt. Von den USA konnte man (wenn man gewollt hätte) lernen, dass eine Schuldenbremse nicht zielführend ist. Die USA waren schon länger stark verschuldet, mit der Ausweitung des Sozialstaates (“Obamacare”) wurde es fatal. Mittlerweile geben die USA mehr Geld für Zinszahlungen aus als für das Militär.
Nach “Ferguson’s Law”, einem von dem schottisch-US-amerikanischen Historiker Niall Ferguson entdeckten Phänomen, steht eine Nation, die mehr für Zinsen als für Militär ausgibt, vor dem geopolitischen Niedergang. Dies war der Wendepunkt beim Habsburgischen Spanien, dem Osmanischen Reich, dem Britischen Empire und dem vorrevolutionären Frankreich. Zudem sieht Ferguson zahlreiche politische, soziale und kulturelle Ähnlichkeiten zwischen den USA und dem untergehenden Sowjetreich: gerontokratische Führung, Zynismus gegenüber den Institutionen, überbordende Bürokratie, die gut für die Nomenklatura, aber schlecht für die Bürger gewesen sei.”
Die Erkenntnis, dass das Ruder dringend herumgerissen werden muss, war der Grund, weshalb eine Behörde, nämlich das Department of Government Efficiency (DOGE) unter der Leitung von Elon Musk eingerichtet wurde. Nach dessen Angaben können dadurch bis Ende diesen oder nächsten Jahres 150 Milliarden Dollar eingespart werden.
Der Streit mit Trump entzündete sich nun daran, dass dieser ein Gesetz plant, welches das Haushaltsdefizit um über 2,5 Billionen (!) US-Dollar erhöhen würde. Trump nennt das Gesetz den “Big Beautiful Bill”. Musk hingegen hält es für unverantwortlich.
"The reason I’m here is because I’m very worried about America going bankrupt due to the corruption and waste and if we don’t do something the ship of America is going to sink. We are all on that ship.”, so Musk. (Ich bin hier, weil ich mir große Sorgen mache, dass Amerika aufgrund von Korruption und Verschwendung Bankrott geht. Wenn wir nichts unternehmen, wird das amerikanische Boot sinken. Wir sitzen alle im selben Boot.)
In diesem Boot sitzen nicht nur die US – Amerikaner. Da die USA die Führungsmacht des Westens sind, ist dieses Problem – wenngleich in Deutschland nur wenig beachtet – für uns existentiell. Die Lage wird noch dadurch verschärft, dass viele westliche Staaten ebenfalls ein enormes Schuldenproblem haben.
Ich möchte noch einmal betonen, es geht bei dieser Auseinandersetzung nicht vorrangig um eine Frage der Ideologie. Politiker nutzen Ideologien, speziell irgendwelche Erlösungs – und Errettungsphantasien, als Stimmenfang; politische Analysten sind ihrerseits diesem Denkmuster verhaftet und sehen Entwicklungen durch diese Brille. Musk ist aber kein Politiker, seine Welt und Denkweise ist eine andere. Er handelt fakten – und evidenzbasiert. Für ihn ist rechnerisch (!) klar, dass die USA auf den Bankrott zusteuern. Für alle Menschen, die rechnen können, stellt sich die Lage genau so dar, nur bestimmen diese selten die Politik. Dort dominieren Leute, die meinen, die Realität nach ihrem Wunschbild formen zu können. „Langweiler“, die auf Fakten und Zahlen hinweisen, werden verbannt.
Dass ein Bankrott der USA, besonders in Anbetracht der weltweiten Gegner des freien Westens, die darauf lauern, ihrerseits die Führung zu übernehmen, verhindert werden muss, dürfte klar sein. Das ist der springende Punkt, darum geht es ihm. Dass jede Wirkung eine Ursache hat, muss man Musk nicht sagen. Natürlich haben völlig verfehlte politische Ideologien und Einstellungen maßgeblich zu dieser Situation geführt. Daher will Musk ja auch den „swamp“, den Sumpf trockenlegen.
Aber primär geht es um Fakten. Musk ist auf der rationalen Sachebene unterwegs, nicht auf emotional – ideologischer. Das ist ein riesiger Unterschied zu Politikern und bisherigen Parteien; übrigens eine Ebene, auf welche die Politik (außer Diffamierung) keine Antwort hat, sie ist ja nie auf dieser unterwegs.
Neue Partei?
Auf X fragte Musk, ob es in den USA eine neue Partei geben sollte, welche die Amerikaner der Mitte - aus seiner Sicht 80% - repräsentiert. Diese Frage wurde von 80,4% bejaht, was Musk für Vorsehung hält. Ergänzend repostete er Argumente für eine neue „America Party“. Darin wird angeführt, wie viel Zustimmung aus beiden Lagern, also Republikanern und sogar Demokraten, eine solche Partei erhalten könnte. Zwar seien im amerikanischen System bisher Parteineugründungen nie erfolgreich gewesen, aber Musk habe eine besonders gute Ausgangslage. Das Fazit: „"The America Party", in it's elegant simplicity, could finally give the 80% what they want: destruction of the swamp, not just new management”, so heißt es dort. (Die „Amerika-Partei“ könnte in ihrer eleganten Einfachheit den 80 % endlich das geben, was sie wollen: die Zerstörung des Sumpfes, nicht nur eine neue Verwaltung.)
Musk setzte sich auch mit dem Argument auseinander, dass kein Politiker eine Ausgabenkürzung politisch überleben würde. Er repostete: “Milei reduced government spending 30% and achieved a surplus in only 1 month. His popularity didn't fall, it rose. Don't tell me fiscal discipline isn't popular with general public. It's just unpopular to the powerful special interests that control DC.” (Milei reduzierte die Staatsausgaben um 30 % und erzielte innerhalb eines Monats einen Überschuss. Seine Popularität sank nicht, sie stieg. Erzählen Sie mir nicht, dass Haushaltsdisziplin in der Bevölkerung nicht beliebt ist. Sie ist nur bei den mächtigen Interessengruppen unbeliebt, die Washington kontrollieren.)
Dass sich viele US – Amerikaner, sogar zahlreiche Republikaner, in der politischen Landschaft nicht wieder finden, wurde bereits berichtet. Da geht es den US – Bürgern nicht anders als den Deutschen. Viele Bürger in beiden Staaten haben das Vertrauen in die politische Klasse verloren, ein großer Teil davon endgültig. Die Hoffnung, dass sich „der Sumpf“ selbst trockenlegen wird oder auch nur kann, tendiert gegen Null.
Natürlich ist Kern des Problems ein Staatsverständnis, welches den Staat in einer quasi allmächtigen Beschützerrolle sieht, die dieser objektiv nicht erfüllen kann und de jure in freiheitlichen Staaten auch nicht erfüllen soll. Insoweit ist es ein Problem, dass die Nachfrage danach, umfassend beherrscht zu werden, offenbar sehr groß ist. Spätestens die Corona – Zeit machte dieses deutlich. Dass die vermeintliche Fürsorge durch „Vater Staat“ zum sicheren Niedergang führt, ist zwar empirisch richtig, wird aber selten erkannt. Weder auf Angebots (Politik) – noch auf Nachfrageseite (Bürger) besteht in der Mehrheit ein Interesse daran. In Argentinien kam der Wandel erst, als sehr, sehr viele Menschen sehr, sehr arm waren.
Ob eine politische Wende in (noch) besser gestellten westlichen Staaten, speziell in den USA erfolgt, ob die Bürger so stark und klug sind, ist offen. Der Eklat zwischen Trump und Musk könnte jedenfalls dazu führen, dass sich die politische Landschaft der USA außerhalb der bisherigen, festgefahrenen Lager ändern wird. Noch steht dies in den Sternen, aber seine Äußerungen zeigen, für wie ernst Musk die Lage hält. Er bringt vieles mit, was es ihm prinzipiell ermöglichen würde, Änderung zu bewirken: Finanzielle Ressourcen, persönliche Bekanntheit und die Publikationsmöglichkeiten seiner Plattform. Allerdings ist er politisch relativ unbedarft und hat von Staatsführung, wie so viele Unternehmer und Wissenschaftler, keine Ahnung. Dafür könnte er sich aber Unterstützung durch fähige Leute sichern.
Es bleibt also spannend. Angesichts der Sprengkraft der Entwicklung könnte man das streitige Gesetz jedenfalls treffender ein „Big Bang Bill“ nennen.