
Von Marx zu Woke
Kurz nach dem Amtsantritt Donald Trumps erschien in der Neuen Zürcher Zeitung ein hoffnungsfroher Kommentar mit dem Titel „Trumps Konterrevolution: Woke
als progressive Leitkultur ist am Ende “.
Benedikt Neff zitierte darin die Inaugurationsrede des Präsidenten, in der Trump den Amerikanern eine „Revolution des gesunden Menschenverstandes“ in Aussicht
stellte. Am Wendepunkt zur Ära Trump, so Neff, zeichneten sich wohltuende Veränderungen ab, denn nun rücke die Mehrheit wieder stärker in den Fokus der politischen
Überlegungen.Neffs Kommentar erschien am 31. Januar.
Schon bald danach stellte sich heraus, dass Trump zwar gegen woke Irrtümer ankämpft, aber an ältere, mindestens so gefährliche Ideen anknüpft, nämlich an die des
Merkantilismus, des Nationalismus und des Großmachtchauvinismus. Im Kampf gegen den Wokismus setzt die die Trump-Administration Maßnahmen, die kaum weniger
problematisch sind als jene, mit denen die EU ihre woke Ideologie durchsetzt.
Was für die Lieferkettenverordnung der EU zutrifft, trifft zum Beispiel auch auf Trumps Anordnung zu, keine Aufträge mehr an Unternehmen zu erteilen, die sich an
Diversity, Equity and Inclusion orientieren: In beiden Fällen handelt es sich um massive staatliche Eingriffe in Eigentumsrechte, die wir von sozialistischen und
faschistischen Regimen kennen.
Aber dürfen wir wenigstens hoffen, dass die woke Ära zu Ende geht? Bedeutet der Sieg Trumps und der Aufstieg rechter und konservativer Parteien bei den
Parlamentswahlen in Europa, dass die Woken ihren Krieg gegen die Vernunft verlieren?
Mein Kollege Laszlo Trankovits ist nicht so optimistisch. „Woke ist noch lange nicht broke“, warnte Trankovits auf der Plattform „Corrigenda “. Der „giftige
Einfluss“ der woken Ideologie könnte noch Jahrzehnte anhalten. Es habe sich als Illusion entpuppt, auf die Widerstandskraft der geistigen Eliten gegen gefährliche
Ideologien und den opportunistischen Zeitgeist zu vertrauen. „Letztendlich haben sich viele Wissenschaftler schlicht angepasst“, meint Trankovits, denn gerade
hochgebildete Akademiker ließen sich von irrationalen Thesen über Sprache oder Geschlecht leicht verführen.
Früher einmal, schrieb der amerikanische Ökonom Thomas Sowell, seien die Professoren stolz darauf gewesen, die Studenten nicht zu lehren, was, sondern wie sie zu
denken hätten. Diese Zeiten sind schon lange vorbei. Jetzt halten es viele Sozialwissenschaftler für ihre Pflicht, ihren Studenten die richtige Haltung zu allen
möglichen Problemen beizubringen, „von der Immigration über die globale Erwärmung bis hin zu der neuen Heiligen Dreifaltigkeit von ‚Rasse, Klasse und Geschlecht‘“.
Mittlerweile geht das so weit, dass auch schon die Mathematik als Herrschaftsideologie alter weißer Männer denunziert wird.
Was für die Professoren gilt, trifft auch auf die woken Meinungsproduzenten in den Medien zu, vor allem in den öffentlich-rechtlichen, die die Gesellschaft
spalten, indem sie ihnen ihre Ideologie oktroyieren. Wer sich zum Beispiel heute noch traut, das generische Maskulinum zu verwenden, also etwa von Studenten statt
von „Studierenden“ spricht, gilt als misogyn und reaktionär. In der EU-Kommission hat die maltesische Sozialistin Helena Dalli bereits vor vier Jahren einen
Leitfaden für inklusiven Sprachgebrauch vorgelegt. EU-Mitarbeiter dürften, heißt es darin, keinesfalls die Anrede „Damen und Herren“ verwenden.
Geschlechtsspezifische Substantive wie Arbeiter oder Polizist sowie männliche Pronomen seien strikt zu vermeiden.
Sprachdiktate von Staats wegen sind mittlerweile so verbreitet, dass sie kaum noch wahrgenommen werden. Ulrike Lembke, Professorin für Öffentliches Recht und
Genderstudien in Berlin, hat für die Stadt Hannover ein Gutachten erstellt, indem sie die Verhunzung der deutschen Sprache sogar für verfassungsrechtlich geboten
erklärt, denn der herkömmliche Sprachgebrauch verstoße gegen den Grundsatz der Gleichberechtigung. Auch die Anerkennung weiterer Geschlechter jenseits von
"männlich" und "weiblich“ hält Lembke natürlich für rechtsverbindlich.
Der woke Einfluss beschränkt sich aber nicht auf die Hochschulen, die Medien und die EU-Kommission, sondern er konditioniert auch die Justiz. Das zeigt sich an der
extensiven Auslegung der Flüchtlingskonvention und des Rechts auf Asyl durch den EuGH und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte sowie an der
Kriminalisierung der sogenannten „Hassrede“, für die es nicht einmal eine allgemein akzeptierte Definition gibt.
Als sich die Vokabel „Wokeness“ vor etwas mehr als zehn Jahren allmählich durchsetzte, hielten sie viele zunächst nur für ein weiteres jener modischen Codewörter
wie „cringe“, „cool“, „digga“, „bro“ oder „smash“, mit denen junge Menschen ihre Zugehörigkeit zu bildungsfernen subkulturellen Milieus signalisieren. Tatsächlich
war „Wokeness“ die politische Kampfparole einer neuartigen Bewegung, die zwar aus „Black Lives Matter“ hervorging, sich aber nicht auf das antirassistische
Anliegen beschränkte. Die Parolen „woke up“ und „be woke“ kündigten nichts weniger an als einen neuen kulturrevolutionären Generalangriff auf die Fundamente der
westlichen Zivilisation.
„Wokeismus“ wurde zu einem Sammelnamen für ein breit gefächertes Spektrum von subversiven und antikapitalistischen Ideologien und Denkschulen, die sich gegen alles
wandten, was sich als weiß und heterosexuell, klassisch gebildet und höflich im Umgang zu erkennen gab. Wer „woke“ war, stellte alles in Frage, auch biologische
und anthropologische Gegebenheiten wie die Existenz von zwei Geschlechtern, die in der Geschichte der Menschheit bisher unumstritten war. Die woke Bewegung stürzt
Denkmäler und säubert Bibliotheken, sie schreibt den Leuten vor, wie sie zu sprechen haben, was sie noch sagen dürfen und was sie besser verschweigen, um nicht an
den Pranger gestellt zu werden.
Es genüge nicht, sich gegen die Tyrannei der Machthaber zu schützen, warnte John Stuart Mill 1859 in seinem Essay über die Freiheit (On Liberty). Man müsse sich
auch gegen die „Bevormundung der herrschenden Meinung und des herrschenden Gefühls“ verteidigen. Wenn sich die Gesellschaft nämlich „in Dinge mischt, mit denen sie
sich besser nicht befasste, so übt sie eine soziale Tyrannei aus, die furchtbarer ist als manche Arten obrigkeitlicher Bedrückung. Sie bietet zwar für gewöhnlich
nicht die äußersten Strafmittel auf; aber sie lässt weniger Wege zum Entkommen, sie dringt viel tiefer in die Einzelheiten des Lebens und versklavt die Seele
selbst.“ Sich dagegen zu schützen, schrieb Mill, sei „für eine gute Sicherung des menschlichen Lebens ebenso unentbehrlich, wie der Schutz gegen politischen
Despotismus."
Wie konnte es einer Minderheit von radikalen Intellektuellen gelingen, in wenigen Jahren die öffentliche Meinung diesseits und jenseits des Atlantiks zu
usurpieren? Wann und wo ist die Gesellschaft falsch abgebogen? Für die Ursachen der geistigen Krise unserer Tage gibt es eine kaum mehr überschaubare Fülle von
Erklärungen, die von der antiken Gnosis über Reformation und Aufklärung bis zur Französischen Revolution und den politischen Religionen der Moderne reichen. In
seinem Buch „Der Todestrieb in der Geschichte“ zeigte der russische Mathematiker Igor R. Schafarewitsch (1923 - 2017), dass der Sozialismus eine Konstante ist, die
sich weder zeitlich noch räumlich oder kulturell eingrenzen lässt. Das Inka-Reich etwa hat den Staatssozialismus sogar noch radikaler verwirklicht als Stalin, Mao
und Kim Il Sung. Die millenarische Idee der sozialistischen Bewegungen ging Marx und Engels, Lenin, Stalin und Mao voraus und hat sie überlebt. Alle Sozialisten,
wie immer sie sich auch nannten, verfolgten letztlich gleiche Ziele, schrieb Schafarewitsch, nämlich die Aufhebung des Privateigentums, die Aufhebung der Familie,
die Aufhebung der Religion und die Aufhebung der gesellschaftlichen Hierarchie. Was sie mit den Woken verbindet, ist der Glaube an eine bessere,
postkapitalistische Welt.
Zwar hat der Zusammenbruch der kommunistischen Regime den Sozialismus dermaßen diskreditiert, dass es kaum noch einer wagt, sich offen zu ihm zu bekennen. Aber das
Ende der Sowjetunion bedeutete nicht das Ende des Kommunismus als einer abstrakten Idee, die von der abstrakten Hoffnung auf eine postkapitalistische Welt lebt.
Dahinter verbirgt sich die konstruktivistische Idee, dass sich die Gesellschaft immer wieder neu erfinden ließe. Der französische Historiker Francoise Furet hat
sich wie kaum ein anderer mit der Revolutionsgeschichte seit dem 18. Jahrhundert beschäftigt. Die Faszination, die der Sozialismus in seinen beiden
Erscheinungsformen im 20. Jahrhundert, dem Kommunismus und dem Faschismus, auf Intellektuelle ausübte, erklärte er mit dem Hass auf die bürgerliche Gesellschaft,
der so alt sei wie die Bourgeoisie selbst.
Hass schürt man am besten, wenn man Angst erzeugt. Die woke Welt ist von Angst geradezu besessen. Wenn es wirklich darum geht, den Planeten vor einer
Klimakatastrophe zu retten, dann darf die Politik natürlich nicht davor zurückschrecken, Eigentumsrechte außer Kraft zu setzen. Wenn es wirklich darum geht, die
Gefahr eines neuen Faschismus abzuwenden, dann muss natürlich die Meinungsfreiheit eingeschränkt werden, um die Bürger vor Fake News, Desinformation und Hate
Speech zu schützen.
Der amerikanische Bischof Robert Barron hat den „Wokeismus“ in einem Vortrag auf der Acton University in Michigan unlängst als eine „Popularisierung der Kritischen
Theorie“ beschrieben. Generationen von Studenten sei an den amerikanischen Hochschulen so lange eine giftige deutsch-französische Melange aus Elementen der
Frankfurter Schule und des französischen Strukturalismus und Postmodernismus serviert worden, bis der Wokeismus in den gesellschaftlichen Blutkreislauf gelangte.
„Dieses System des Denkens und Handelns hat“ – so Bischof Barron – „auf bemerkenswerte Weise seinen Weg in praktisch jeden Winkel unserer politischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Arenen gefunden und übt einen massiv schädlichen Einfluss auf unsere Kultur aus.“
In den Vereinigten Staaten erhob die Demokratische Partei Wokeness zu ihrem Programm. „We have to stay woke“, sagte Kamala Harris, „like everybody needs to be
woke." Mit dem politischen Gütestempel der US-Demokraten versehen gelangte das toxische Gemisch nach Europa zurück und traf dort auf desorientierte linke Milieus
und Parteien, die sich in der „neuen Unübersichtlichkeit“ nicht zurechtfinden.
Die Sozialdemokraten sind ihrem eigenen Erfolg zum Opfer gefallen: Kaum hatten sie den Ausbau des Sozialstaates vollendet, als ihnen die Arbeiter davonliefen; vom
demokratischen Sozialismus, den es nie gegeben hat, weil es ihn nicht geben kann, reden sie nur noch selten.
Die Kommunisten haben mit dem Zusammenbruch des Kommunismus in der Sowjetunion Vater und Mutter verloren. Kein Marx, kein Engels, kein Lenin, kein Stalin weist
ihnen mehr den Weg.
Die Grünen, ein Spaltprodukt der Kulturrevolution der 1970er Jahre, die dem Wokeismus vorausging, leiden ebenfalls unter einer Identitätskrise. Der Umweltschutz
ist schon lange nicht mehr ihr Alleinstellungsmerkmal. Jetzt versuchen ihr klimapolitisches Heilsversprechen mit tagespolitischem Pragmatismus zu verbinden.
Sie alle aber, Sozialdemokraten, Kommunisten und Grüne, eint der antikapitalistische Grundkonsens, den ihnen die woke Ideologie in neuer Gestalt offeriert; dass
diese Ideologie logisch inkonsistent ist und noch vulgärer als der vulgärstes Vulgärmarxismus, spielt dabei keine Rolle. An die Stelle des Klassenkampfs ist der
Kulturkrieg getreten; Migranten haben die Proletarier ersetzt und queere Lesben, Schwule und Transsexuelle avancierten zu Subjekten des Fortschritts.
Es ist üblich geworden, den immer heftiger tobenden Kulturkrieg mit Antonio Gramsci zu erklären. Gramsci wusste, dass die „kulturelle Hegemonie“ der Linken eine
Voraussetzung der Eroberung der politischen Macht ist: Die Revolution müsse sich in den Schulen und Hochschulen, in den Redaktionen, Theatern und Filmstudios
vorbereiten, um politisch reüssieren zu können. Weniger bekannt, aber praktisch wesentlich einflussreicher als Gramsci war Willi Münzenberg, der für die Komintern
als Propagandist tätig war. Münzenberg war vor dem Ersten Weltkrieg in die Schweiz emigriert, um der deutschen Polizei zu entwischen. Er schloss sich dort dem
sogenannten „Jungburschenverein“ an, so hieß die radikale sozialdemokratische Jugend, und befreundete sich mit den russischen Exilanten Lenin und Grigori Zinoviev
sowie mit dem galizischen Sozialisten Karl Radek und dem Schweizer Gewerkschaftsführer Fritz Platten. Für Lenin organisierte Münzenberg einen Kurierdienst nach
Russland, er gehörte also zum inneren Kreis der sogenannten „Zimmerwalder Linken“, die sich im September 1915 auf einer Konferenz in der gleichnamigen Ortschaft im
Kanton Bern konstituierte. Die russischen Mitglieder dieser Gruppe reisten im April 1917 in dem berüchtigten plombierten Sonderzug des deutschen Außenamts nach
Petrograd, wo sie Lenins Plan realisierten, nämlich den Weltkrieg in einen Bürgerkrieg zu verwandeln und „Russland aus den Angeln zu heben“.
Münzenberg zog es vor, von Berlin und Paris aus propagandistisch für den Kommunismus zu arbeiten. Einerseits schützte ihn die Freundschaft mit Lenin, weil sie ihn
lange Zeit vor den Intrigen der Parteizentralen und der Komintern schützte, andererseits öffnete sie ihm den Zugang zu den enormen Goldvorräten, die die
Bolschewiken der Kirche und der Aristokratie geraubt hatten und die er zum Aufbau eines gewaltigen Medienimperiums nützte. Münzenberg kontrollierte ein
internationales Netzwerk von Zeitungen, Magazinen, Filmstudios, Buchverlagen, Kongressen und Massenorganisationen und führte das aufwendige Leben eines
Medienmoguls. Zusätzliche Einnahmen verschaffte ihm die Gründung der „Internationalen Arbeiterhilfe“, die weltweit Spenden lukrierte. Die
„Arbeiter-Illustrierte-Zeitung“ kam auf eine wöchentliche Auflage von 350.000, die „Welt am Abend“ auf täglich 180.000. Sein Einfluss auf die öffentliche Meinung
in Westeuropa überstieg bei weitem den der sowjetischen Regierung, geschweige denn den Antonio Gramscis. Münzenberg gelang es Weggefährten vom Kaliber Albert
Einsteins und Thomas Manns für die Sowjetunion zu gewinnen. Sein aus Lügen und Halbwahrheiten geklittertes „Braunbuch“ über den Reichstagsbrand vom Februar 1933
wurde zu einem weltweiten Bestseller. Einer seiner größten Erfolge war der «Erste Internationale Schriftstellerkongress zur Verteidigung der Kultur», der 1935 in
Paris stattfand. Münzenberg sparte nicht mit Ergebenheitsbekundungen für Stalin und passte sich geschmeidig an den Zick-zack-Kurs der Komintern an, bis er daran
zugrunde ging. Als Kamenew, Sinowjew, Radek und Fritz Platten, seine Genossen aus der Zimmerwald-Gruppe, liquidiert wurden, hatte er keinen mehr, der ihn vor
Stalin schützte, und Stalin vernichtete alle, die sich, wie Trotzki, direkt auf Lenin berufen konnten. Er wurde 1938 aus der KPD ausgeschlossen, flüchtete vor dem
deutschen Einmarsch aus Paris und endete im Juni 1940 in einem Wald zwischen Lyon und Grenoble. Zwei Jäger fanden seine verweste Leiche mit einem Strick um den
Hals. Es wird vermutet, dass er von sowjetischen Agenten ermordet wurde.
Was blieb, war sein politisches Erbe, es bestand in der kulturellen Hegemonie der prosowjetischen Linke, die bis tief in den Kalten Krieg weite Teil der
öffentlichen Meinung im Westen dominierte. Trotz der Hungersnot in der Ukraine und der Moskauer Schauprozesse, trotz des Hitler-Stalin-Paktes, der Ermordung
Trotzkis und der unzähligen anderen Verbrechen standen Millionen weiterhin treu zu Stalin, vor allem die Intellektuellen. Thomas Mann nannte den Antikommunismus
die „Grundtorheit des 20. Jahrhunderts“. Der „russische Mythos“ habe das geistige Klima in England vergiftet, klagte George Orwell 1946. Erst 1950 gelang es Melvin
J. Lasky und den ehemaligen Kommunisten Ruth Fischer und Franz Borkenau, gegen die rote Flut in Berlin den Kongress für kulturelle Freiheit zu organisieren. Die
von Lasky herausgegebene Zeitschrift „Der Monat“ wurde eine Art Zentralorgan der ehemaligen Kommunisten. Allerdings bedeutete die Abrechnung mit der Sowjetunion
für die meisten ehemaligen Kommunisten keineswegs den Abschied vom Sozialismus, den sie nun auf demokratischem Weg zu erreichen versuchten. Sie waren zugleich
antitotalitär und antiliberal. In dieser Gemengelage wurzelte der spezifisch deutsche „Linksliberalimus“, der in den späten 1960er Jahren von der tiefroten
revolutionären Studentenbewegung eingeholt und überholt wurde. Aus der Konkursmasse der Studentenbewegung gingen schließlich die Grünen hervor, die den Sozialismus
heute in seiner woken Gestalt vertreten.
Wenn es eine Lehre der Geschichte gibt, die von Lenin, Gramsci und Münzenberg über die Frankfurter Schule und den langen Marsch der 68er in die Institutionen bis
zum Wokeismus unserer Tage führte, dann lautet sie: „Culture matters. Ideas have consequences“. Der Sozialismus ist, wie Schafarewitsch gezeigt hat, eine Konstante
in der Geschichte. Er kann nicht ein für alle Mal besiegt werden, er wird immer wieder und in immer neuer Gestalt auftreten. In der Ära von Ronald Reagan und
Margaret Thatcher ist es gelungen, ihn weitgehend zurückzudrängen. Leider fehlen heute solche Führungspersönlichkeiten, die die Menschen für die richtigen Ideen
gewinnen könnten. Mit anti-woker Rhetorik, rechtem Populismus und autoritären Methoden wird man das sicher nicht erreichen.