Ernst Eichengrün
Linksaußenpartei und Ukraine-Krieg
Am letzten Mittwoch, dem 25. Januar, debattierte der Bundestag über die Leopards.
Der Vorsitzende der Linksaußen-Fraktion, Bartsch, focht erwartungsgemäß
dagegen. Zu Beginn wandte er sich gegen den russischen „Versuch, Grenzen zu
verschieben“. Damit ja keiner denken sollte, Linksaußen habe nichts gegen Putins
Krieg.
Danach ging es wie gewohnt zu. Oft auch von der AfD mit Beifall belohnt.
Aufschlussreich war im Folgenden aber, was er sagte und was er nicht sagte. Bei in
der Schilderung dessen, was wohl zu befürchten sei, sprach er sogar vom Einsatz von NATO-Soldaten. Er wies sogar warnend auf eine einzelne Stimme hin, die den
Einsatz von Atomwaffen für sinnvoll hält. Das war aber kein Politiker! Damit war
Bartsch die Atom-Frage in die Diskussion. Das muss ja Angst machen - auch und
vor allem, wenn von der atomaren Bewaffnung der Ukraine geredet wird, und wenn damit versucht wird, die Ukraine zu diskreditieren. Und es lenkt
auch so schön von der Frage ab, wer denn bisher mit seinen Atomwaffen gedroht hat.
Das zeigt, wohin das oft nicht durch dachte Argument, wir dürften nicht zur
Eskalation beitragen, auf die Eskalation unserer Angst hinausläuft. Ohnehin ist diese Warnung vor Eskalation - so berechtigt die Auseinandersetzung mit ihrem möglichen Risiko auch isst, überflüssig: Der Westen hat sie von Anfang an vermieden.
Die Warnung geht für Bartsch wohl davon aus, der Westen und die Ukraine dürften
überhaupt nicht versuchen, die ukrainische Unterlegenheit gegenüber der russischen Übermacht, auch
nur ein bisschen ausgleichen. Ein Gleichziehen ist sowieso nicht möglich.
Dann sprach Bartsch über den Drei-Monats-Termin, die Zeit, zu der wir eine
russische Massen-Offensive auf breiter Front befürchten müssen. Bartsch sagte
nichts darüber, ob er diesen Angriff für wahrscheinlich hält oder nicht. Doch er hat
statt der Waffenlieferung für die Ukraine etwas ganz anderes vorgeschlagen: Für
besagte Drei-Monats-Zeit nannte er als Ziel "dass es in die diesen drei Monaten in
der
Ukraine keinen Krieg mehr gibt“. (Protokoll , S. 9671).
Wer
möchte dem wohl widersprechen? Selbst Putin nicht. Doch dieser
macht
selbst für die bloße Aufnahme von Verhandlungen zur Vorbedingung, dass die Ukraine seine
territorialen Ansprüche anerkennt! Weiß Linksaußen des nicht oder hält man das für
akzeptabel?
Bartsch dürfte intelligent genug sein, um die Folgen einzuschätzen, wenn der Westen jetzt die
Aufrüstung der Ukraine absagt oder auch nur vertagt.
Leider ist Vielen bei uns noch nicht der Ernst der Lage bewusst: Es geht jetzt gar nicht mehr um die so gern diskutierte
Frage, ob Selenskyj mit unseren Waffen gar versuchen könnte, die ukrainischen
Gebiete zurückzuerobern oder gar den Aufmarsch russischer Kräfte nur Vorbereitung des
Angriffs schon auf russischem Territorium zu stören. Es geht uns vielmehr darum,
Putins Offensive aufzuhalten und in zweiter Linie durch örtliche Gegen-Angriffe
Putin dazu zu bewegen, die Aussichtslosigkeit seiner Haltung klar zu machen. Sonst
könnten wir kaum mehr etwas tun und die ganzen schönen Diskussionen um
Eskalation und Kriegsziele hätten sich von selbst erledigt.
Das gilt übrigens auch für einen Waffenstillstand. Der würde Putins Eroberung der
ganzen Ukraine nur vertagen - ja, sie noch leichter machen.
Bartsch dürfte auch das wissen und sollte erkennen, dass seine Forderung vorerst
völlig irreal ist, solange Putin nicht die Nutzlosigkeit seines Angriffs einsieht.
Und Bartsch ignoriert, dass der Westen vor seiner Entscheidung die Entwicklung
und
seine Optionen genau geprüft und unter allen Aspekten intensiv und auch lange - sehr lange -
erwogen hat.
Übrigens haben auch viele andere Gegner der Entscheidung des Westens die
schwierige gedankliche und moralische Gratwanderung zwischen den Alternativen
ebenso vollzogen wie die Regierungen. Und man muss ihre Entscheidung als legitim respektieren.
Bartsch jedoch hat nicht mit einem Wort erkennen lassen, ob er sich ebenso intensiv mit seiner
Entscheidung gequält hat.
Die Frage ist schließlich, ob es noch andere Szenarien, gibt, um rasch den Frieden zu erreichen, falls die Rüstungshilfe ausbleibt:
- Etwa dadurch, dass der Westen dem Wunsch Putins nachgibt, nicht mit der
Ukraine, sondern nur mit dem Westen zu verhandeln - ohne Ukraine, aber auf ihre
Kosten. So, als sei sie unfertiges Kind, das nicht einsehen will, dass es nur sich
selbst schadet. Klingt z.Z. unwahrscheinlich, aber die öffentliche Meinung im Westen könnte ja kippen.
Ein solcher Meinungs-Umschwung ließe sich ja bestens mit der Aussage
begründen, wir wollten der Ukraine ja nur weitere Tote zumuten. So etwas hören wir tja
schon heute.
Wir dürfen auch nicht außer Betracht lassen, dass in den USA in noch nicht einmal
zwei
Jahren gewählt wird!
- Es gibt aber noch eine andere Möglichkeit eines raschen Friedens - und das mit
größter Wahrscheinlich:
Nämlich wenn mangels ausreichender Unterstützung die Ukraine mit Putins Groß-
Offensive der Ukraine weiter große Stücke ihres Landes entreißt, sie so sogar
weitgehend überrollt. Dann bliebe ihr ja nur die von Putin herbeigebombte
bedingungslose Kapitulation mit anschließendem Diktat-Frieden.
Und
dann stünde Putin an der Grenze zu Polen - mit seinen Waffen direkt hinter der Grenze-
und
mit vielen Möglichkeiten zur Einschüchterung.
Ist
Herr Bartsch sich dieser recht wahrscheinlichen Alternative bewusst? Hat er wohl bedacht? Oder
will er sie einfach ignorieren? Auch hierzu schweigt er.
Übrigens ignoriert Linksaußen völlig eine andere, wichtige Dimension von Putins Eroberungs-Krieg:
Den von ihm oft betonten Imperiales, der auf weitere Eroberungen abzielt. Ebenso wie die Tatsache,
dass er sich schon lange in unserem Internet bei uns eindringt. Die sozialen
Medien sind mit einer Fülle
von Gerüchten verseucht und selbst die Rechtsradikalen unterstützt er.
So oder so: Wir müssen Putin durch die Waffenhilfe klar machen, dass seine
Fortführung des Blutvergießens ihm nichts bringt. Dann kann man verhandeln!
Wir aber sollten uns jetzt gut überlegen, ob wir nochmal das Gleiche erleben wollen, was 1956
passierte:
Als damals die Sowjets in Ungarn einmarschiert waren, um die demokratischen
Reformen zu beseitigen. Als der Widerstand der Ungarn -von Soldaten wie
Zivilisten - aussichtslos wurde.
Ich werde nie vergessen, wie Ungarns MP Imre Nagy uns übers Radio
immer wieder verzweifelt anflehte, Ungarn zu helfen.
Damals waren wir entsetzt, ratlos und beschämt, weil wir nicht helfen konnten.
Heute
aber können wir helfen.
Ernst Eichengrün
1.
2. 2023
Ernst Eichengrün im Bundesarchiv