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Diskussion über eine „Nachwendezeit“ – Die Sachsen SPD irrlichtert durch die Freiheitsgeschichte

 

Für den 13. November 2018 lädt die SPD Sachsen Mitglieder zum Kamingespräch „. über die aktuellen Herausforderungen und Chancen für die SPD Sachsen.“ ein. So weit, so gut. Darüber muss gesprochen werden. Doch auf welcher immateriellen Grundlage?

Im Einladungstext heißt es „Liebe/r …, in den letzten Jahren war es nicht immer leicht, darauf hinzuweisen, dass der Osten Deutschlands anders tickt, als der Westen. Die Wende hat hier etwas verändert.“

Das ist stark! 29 Jahre nach Krenz‘ Deklarierung eines Holzweges namens „Wende“ zu einer tapezierten DDR (Kurt Hager am 9. April 1987 an den STERN „Würden Sie, nebenbei gesagt, wenn Ihr Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“ auf die Frage nach Reformen in der DDR wie unter Gorbatschow) spricht ein Kind der Friedlichen Revolution – die SPD in Sachsen – ernsthaft von „Wende“?

Sowenig es 1989 eine „Wende“ gab, sowenig gab eine „Nachwendezeit! Egon Krenz wollte mit seiner SED eine „Wende“ in der DDR und wurde schon nach wenigen Wochen für Hans Modrow abgeschüttelt. Was die SED und ihre Nachgeborenen bis heute noch immer unter „Wende“ verstehen, war eine Revolution und zwar im Gegensatz zu den immer zuverlässig blutrünstigen Revolutionen der Kommunismusgeschichte eine von friedlicher Natur, die Seitens des Staates jedoch alles andere als friedlich begann. Alles vergessen oder nie gelesen?

Tatsächlich glückte den Millionen Deutschen in der DDR 1989 ein Volksaufstand, offiziell Friedliche Revolution genannt. Diese Friedliche Revolution trieb die SED bis zur ersten freien Volkskammerwahl am 18. März 1990 vor sich her.

Die Ostdeutschen hatten sich im Herbst 1989 nach Jahrzehnten der Repression Freiheitsrechte wie das Demonstrationsrecht, das politische Vereinigungsrecht, Meinungs- und Reisefreiheit erkämpft und die „Diktatur der Arbeiterklasse“ in den Orkus befördert.

Wer hier von „Wende“ spricht, weiß weder um seinen eigenen Anteil am Freiheitskampf der Ostdeutschen noch um die grundlegenden Prozesse von 1989/90.

Zur Friedlichen Revolution kam es nicht nur wegen des repressiven politischen Systems. Die DDR-Wirtschaft war weitgehend desolat. Am vielleicht fehlenden Willen, Karl Marx‘ „Kapital“ zu drucken lag es bei der SED nicht. Es gab, um ein Bild zu gebrauchen, einfach keine Ersatzteile für die Druckmaschinen.

Am 3. Oktober 1990 trat die inzwischen freie DDR der Bundesrepublik Deutschland bei, damit dem sehr großen Mehrheitsvotum der Volkskammerwahl folgend.  Beigetreten ist damals ein vor der Zahlungsunfähigkeit stehender sowjetischer Satellitenstaat namens DDR einem funktionierenden Gemeinwesen. Den Namen Gerhard Schürer schon einmal gehört oder gar seinen Bericht vom 30. Oktober 1989 an das Politbüro gelesen?

Bei weitem glückte nach der Deutschen Einheit nicht alles. Es gab Enttäuschungen. Wer kann das bezweifeln. Doch bei allem, was nun diskutiert werden wird: Für den Beitritt eines desolaten Wirtschaftssystems gab es keine Erfahrungen und die Schuld der desolaten Situation lag nicht bei der Bundesrepublik Deutschland.  Richard Schröder, der SPD-Fraktionsvorsitzende in der freigewählten Volkskammer, schrieb hierzu einen wichtigen Aufsatz.

Die SPD in Sachsen will über die letzten drei Jahrzehnte, über Chancen, Risiken, verpasste Chancen reden. Das ist in Ordnung. Nicht in Ordnung ist ein Sprachgebrauch, der von der anderen Seite der 89er Barrikaden zielgerichtet geprägt wurde. Ich fühle mich jedenfalls von dieser Einladung nicht angesprochen.


Der Treuhandkomplex. DLF 17.09.2019