· 

Die FDJ-Singe-Bewegung lebt weiter

Allen Unkenrufen zum Trotz: Die FDJ-Singe-Bewegung lebt weiter. Campino ist adoptiert.

Hartmut König kann stolz sein. „Sag‘ mir, wo Du stehst“ bleibt ein Gassenhauer. Den „Toten Hosen“ und „Freie Sahne Fischfilet“ sei Dank und Anerkennung der Hinterbliebenen der „Kulturkommission beim Politbüro des Zentralkomitees der SED“ gewiss. Womöglich droht Campino sogar der „Karl-Marx-Orden“ der verblichenen „größten DDR der Welt“?

Ausschließen würde ich nichts mehr. Nichts scheint unmöglich. Wo Infantilität grassiert, da wird dort gefeiert, wo gestern noch gemordet wurde. „Sag‘ mir, wo Du stehst!“: Was soll ein Opfergedenken, wenn es doch falsche Opfer falscher Täter sind? Ja, wenn es richtige (linke) Opfer richtiger (rechter) Täter wären? Aber so? Da hilft nur feiern bis die Gründe für die Chemnitzer Probleme vergessen sind.

„Sag‘ mir, wo Du stehst!“ war in der Diktatur eine klare Ansage: „Bis Du für den Weltfrieden oder Ja?“ Eine differenzierte Antwort war damals nicht möglich. In jedem Fall wäre das Urteil „Dann bist ja für den Krieg!“ gewesen und damit wären die persönlichen Folgen unabsehbar geworden. So wie es jetzt für Schlagersternchen wie Helene Fischer, Mark Forster oder Andrea Berg ungemütlich zu werden scheint. Genauso wie damals in der DDR.

Werden nicht schon längst von guten, auf der richtigen Seite stehenden Künstlerkollegen Fragen nach der Haltung von „Tatenlos durch Nacht“ singenden Nichtunterstützern gestellt? Wird nicht schon lange repressiver Druck aufgebaut? Die Fischers, Forsters, Bergs müssen doch eine Meinung haben, müssen doch Haltung zeigen! Ein guter Sozialist ohne Haltung ist bekanntlich kein Sozialist.

Vielleicht ist es ja gerade dieser muffige Druck aus Stalins Gruft (siehe Kritik und Selbstkritik in Wolfgang Leonhards „Die Revolution entläßt ihre Kinder“) der bspw. Fischers‘ Helene zurückschrecken läßt? Zumindest ihre Eltern kennen das alles mit Sicherheit noch aus ihrer sowjetischen Zeit und es wird sie frösteln lassen. Mit Recht.

Mir kommt das so verdammt bekannt vor, es widert mich an. Vermutlich wird es sehr vielen ehemals Ostdeutschen genauso ergehen. Auf diese Art vor den Wagen spannen lassen? Ganz im Gegenteil!

Mord wird immer abgelehnt! Völlig egal dabei ist, wer wen ermordete! Mord ist Mord. Vor dem Gesetz sind alle gleich: Egal ob Rechtsextremist, Linksextremist, Islamist oder Frauenfeind. Aber – sind vor dem Gesetz in der Bundesrepublik des Jahres 2018 wirklich alle gleich? Es mehren sich allenthalben Zweifel. Der FDJ-Singe-Club mit Campino vornean kann das jedenfalls nicht widerlegen.

Ulf Porchardt schreibt heute in der Welt „Der Punk stirbt in Chemnitz“. Er hat wohl recht. Die Verbleichenden wissen es nur noch nicht. Dagegen Anjodeln wird nicht helfen.

Wer gemeinsam mit Linksextremisten Rechtsextremismus bekämpfen will, der meint es ebenso wenig ehrlich mit der Demokratie, wie diejenigen Zeitgenossen, die sich nicht an „Heil Hitler-Rufen“ stören und hinter und neben solchen Krakeelern herlaufen.

1989 gingen im Osten die meisten Menschen gegen eine linke Diktatur auf die Straße. Eine rechte Wiederholung wollten sie ebenso wenig. Freiheit und Demokratie waren die Ziele.

Es ist ein gefährliches Spiel, welches die Macher des gestrigen Chemnitzer Konzertes spielen. Mit dem Auftritt von „Feine Sahne Fischfilet“ schlossen sie tausende Chemnitzer von vornherein aus. Das ist Kollateralschaden Numero eins. Nicht wenige Chemnitzer und Ostdeutsche werden den aus ganz Deutschland organisierten Zug der Oberlehrer als Invasion empfunden haben. Das wird der AfD Zulauf bescheren. Was wiederum Kollateralschaden Numero zwei ist.

Der Bundespräsident rief mit seinem Hinweis auf „Feine Sahne Fischfilet“ Mitmenschen zur Demo, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren, mit Linksextremismus jedoch keine Probleme haben. Das ist Kollateralschaden Numero drei.
Damit exerziert das  Staatsoberhaupt die SPD-Volksfrontlinie vom Leipziger Parteitag 2013: Alle, auch die äußere Linke, gegen Rechts!

Seitdem ist in der bundesdeutschen Offizialoptik alles Rechts, auch die Mitte. Die Statik dieser Republik nahm bisher schweren Schaden.

Somit war es jetzt die große Chance des Staatsoberhauptes, die Mitte der Gesellschaft nach Chemnitz einzuladen, um den Opfern zu gedenken und alle möglichen Täter zu warnen. Die Chance wurde vertan.