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20 Jahre SPD Brandis

Leipziger Volkszeitung 19. Januar 2010

 

 

 

Der SPD OV Brandis beging am 17. Januar 2010 sein 20jähriges (Wieder-)Bestehen. Redner waren FRank Mieszkalski (siehe weiter unten den zweiten Teil dieses Textes) und meine Person.

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Gunter Weißgerber                                                               Es gilt das gesprochene Wort!

Brandis, 17. Januar 2010
Sperrfrist: 10 Uhr!

20 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit

Anrede

Wie war die Stimmung 1989?
Margarethe von Trotta schuf in historisch anderen Zusammenhängen das Bild von der bleiernen Zeit. Ich vermag die 80er Jahre der DDR ebenfalls nur als solch eine Zeit zu beschreiben. Überall Entwicklung, die alte Bundesrepublik ging mit Westeuropa den friedlichen Weg der Grenzenlosigkeit. Der KSZE-Prozess riss Löcher in den Eisernen Vorhang, in der CSSR machte die Charta `77 weltweit aufmerksam. Der Papst war ab 1978 ein Pole und fokussierte in seiner Person den menschenrechtskritischen Blick auf den Ostblock. In Polen gründete sich die Gewerkschaft Solidarnost, in Ungarn debattierte die Staatspartei öffentlich über die Konterrevolution von 1956, die von nun an richtigerweise ein Volksaufstand war. Gorbatschow setzte ab 1985 auf die Vernunft, auf Glasnost und Perestroika. Die Supermächte beendeten ihre Konfrontation und schlossen am 8. Dezember 1987 infolge des NATO-Doppelbeschlusses in Washington mit dem INF-Vertrag den ersten atomaren Abrüstungsvertrag in der Geschichte der Menschheit.
Die Sowjetunion war in Bewegung gekommen. Die Bestandsaufnahme war fulminant und in ihrer Wirkung alles verändernd. Die politischen Grundfesten wurden erschüttert, erstmals wurden die Millionen Opfer seit Lenin und Stalin, auf denen das östliche Wirtschafts- und Eigentumssystem aufgebaut worden war, systemöffentlich bekannt.
Nur in der DDR sollte sich nichts ändern. Plötzlich mutierte der große sozialistische Bruder zum Querulanten und Nachbarn, dem man beim Tapezieren nicht hinterherlaufen würde. Sogar der Sputnik wurde verboten. Die DDR, der gesamte Ostblock war reif, überreif für friedliche und demokratische Veränderungen. Diese Stimmung war überall zu greifen. Im Gegensatz zu dieser Stimmung stand die unerbittliche Staatsmacht mit ihrem Sozialismus angeblich für die nächsten 150 Jahre. Das war bleiern!
Die Veränderungen mussten kommen und sie kamen. Seit Jahren und Jahrzehnten langsam aber stetig. Der Volksaufstand von 1953, die ständige bis 1961 millionenfache Abstimmung mit den Füßen von Ost nach West, die mit dem Mauerbau nur eingedämmt werden konnte und auf diese Art den Druck im Kessel wiederum ansteigen ließ, das blutige Ersticken des Sozialismus mit menschlichem Antlitz in der CSSR 1968, die Inthronisierung einer fiktiven sozialistischen Nation der DDR, die Ausbürgerungen Prominenter und die Inhaftierung sowie der Verkauf vieler Namenloser an die Bonner Ultras, das Entstehen der Jenaer Opposition in den 70ern, das Entstehen der Oppositionszene in Ostberlin (Umweltbibliothek), die Welle der Ausreisewilligen mit den kleinen weißen Fähnchen an den Autoantennen und hier in Leipzig der Beginn der montäglichen Friedensgebete Anfang der 80er Jahre in der Nikolaikirche – all dies und noch viel mehr führte zu einer Atmosphäre, die nach Veränderungen roch.

 


Die Menschen wurden mutiger, weil sie sich auf internationale Abkommen und Verständigungen stützen und sich mit Hilfe medialer Bekanntheit im Westen zusätzlich sicher fühlen konnten. Glasnost und Perestroika in der Sowjetunion taten ein Übriges.
Es bedurfte eines Mannes wie Gorbatschow, der die Panzer nicht mehr rollen lassen wollte.
Erst jetzt waren Honecker & Co. mit ihren Armeen und Geheimdiensten hilflos allein zu Haus. Plötzlich fehlte der Mut, sich der Bevölkerung blutig entgegenzustellen.
Die Gefahr sowjetischer Invasionen schien vorläufig gebannt. Es wehte der Wind des Wechsels und der Freiheit im Ostblock.

Es geht los!
Immer mehr Menschen fanden den Weg auf die Strasse. Begonnen hatte dies anlässlich der jährlichen Luxemburg/Liebknechtgedenkrituale bereits im Januar 1988 in Ostberlin und wurde 1989 auch in Leipzig fortgesetzt. Hunderte demonstrierten damals ohne Genehmigung für ihre Vorstellungen von Freiheit und Demokratie und beriefen sich auf Rosa Luxemburgs Satz von der Freiheit, die immer die Freiheit der Andersdenkenden sein solle.
Anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse 1989 nutzten 3000 Leipziger die mediale Weltöffentlichkeit und demonstrierten gegen die politische Ordnung.
Die Bilder gingen um die Welt und nährten wiederum die Hoffnungen der Menschen im Inland.
Am 2. Mai 1989 öffnete die lustigste Baracke im Ostblock, Ungarn, ihre Grenze nach Österreich, der Eiserne Vorhang bekam ein großes Leck und die DDR schien über diesen Umweg auslaufen zu können. Nun begannen die Botschaftsbesetzungen von Budapest, Prag und Warschau mit bis zu 20 000 Flüchtlingen im ungarisch-österreichischem Grenzgebiet.
Am 7. Mai 1989 besaßen viele Ostdeutsche den Mut, die gefälschten Kommunalwahlen in der DDR in den Wahllokalen zu kontrollieren. Ein Mut und Optimismus, der in Zusammenhang mit der ungarischen Grenzöffnung und den daraus zu schließenden Freiheitschancen stehen mochte.
Im Sommer 1989 fanden sich neue politische Gruppierungen wie SDP und „Demokratie Jetzt“ zusammen. Im September ging das Neue Forum an die Öffentlichkeit, die Leipziger Montagsdemonstrationen schwollen mächtig an und die friedliche Revolution nahm ihren Lauf.
Angeheizt durch die politischen Gruppenbildungen und die beständig anwachsenden Leipziger Montagsdemonstrationen, die Botschaftsbesetzungen in den Bruderländern, die provokativen Botschaftsausreisezüge durch den Süden der DDR, entstand bis zum 9. Oktober 1989 eine Stimmung, die den Herrschenden zunehmend Angst einflößte.

Zum Kulminationspunkt wurde der 9. Oktober von Leipzig. Tage vorher drohte die SED-Führung mit dem Massaker vom „Platz des himmlischen Friedens“ in Peking als der chinesischen Lösung für Leipzig und gab damit eine ernst gemeinte tödliche Drohung von sich. Kurz zuvor gab es bürgerkriegsähnliche Straßenschlachten in Dresden und massenhaft „Zuführungen“ im gesamten Süden der DDR. Selbst Internierungslager waren schon lange geplant, die entsprechenden „Schutz“Verhaftungslisten wurden ständig aktualisiert.
Dennoch nahmen 70 000 Menschen an der inzwischen sechsten Montagsdemonstration teil. Friedlich machten die Demonstranten der Obrigkeit klar, dass sie das Volk sind und die da oben mit ihrer ekelhaften Stasi nicht dazugehören. Der 9. Oktober 1989 gehört zu den glücklichen Tagen der an schwierigen Daten nicht armen deutschen Geschichte. Noch nie hatte sich das Volk friedlich und dauerhaft in einer Revolution, die anfänglich eine blutige, verlorene hätte werden können, durchgesetzt. Die Helden dieser Revolution waren die jungen Leute, die sich unter dem Dach der Leipziger Nikolaikirche vor allem mit Unterstützung von Pfarrer Christoph Wonneberger über Jahre oppositionell betätigten und nach ihrem durch die Kirchenleitung erzwungenem Hinausgehen aus eben dieser Kirche im August 1988 im Nikolaikirchhof ein eigenes, öffentlich wirksames und zunehmend weltweit beachtetes Podium schufen. Ein Podium, welches überall in der DDR Mut machte.Mit Sicherheit auch hier in Brandis.
Die SED-Führung war gelähmt und suchte nach dem 9. Oktober das Heft des Handelns vergeblich wieder in die Hand zu bekommen. Es begann die Zeit der organisierten Dialoge zwischen den Bürgern und der Staatsgewalt bei gleichzeitigem explosionsartigen Anschwellen der Montagsdemonstrationen mit bis zu 500 000 Teilnehmern am 30. Oktober 1989 in Leipzig.
Der SED schwammen die Felle davon. Honecker wurde gestürzt, die Regierung trat zurück und mit Krenz versuchten die „Tapezierer“, ihre DDR neu zu kostümieren und damit zu retten.

Stefan Heym, Christa Wolf und viele andere angesehene Persönlichkeiten kamen ihnen sogar entgegen. Ihr Aufruf „Für unser Land“ vom 26. November 1989 spielte der SED in die Hände.
Ihnen ging es um die Eigenständigkeit der DDR, dabei naiv in Kauf nehmend, dass die alte Nomenklatura weiterhin alles im Griff haben würde.
Das sah die Bevölkerung in der Provinz anders, das sahen wir in der Region Leipzig-Borna grundsätzlich anders. Die Antwort auf den Ostberliner Aufruf „Für unser Land“ kam postwendend mit dem „Leipziger Aufruf“, der offene Gespräche zwischen beiden deutschen Staaten mit dem Ziel einer Konföderation oder der Einheit anmahnte.
Die Entwicklung verlief vom Januar 1989 bis zum 18. März 1990, den ersten freien Volkskammerwahlen, zunehmend rasanter. Baute sich bis zum 9. Oktober der Druck im Kessel und der Mut der Menschen langsam, aber stetig auf, so wurde die Entwicklung bis zu den Volkskammerwahlen atemberaubend schnell. Der Leipziger Karl-Marx-Platz mit seinen Kundgebungen und den Woche für Woche hunderttausenden Demonstranten wurde zum Forum im klassischen Stil, auf dem das erwachte Volk aufrecht gehen und diskutieren lernte und bestimmte, was in Ostberlin zu geschehen hatte. Ein gleiches galt für alle anderen Plätze und Straßen in der DDR zu jener Zeit.
Veränderungen, die unter normalen Umständen Jahre brauchen, waren damals nach Tagen bereits veraltet und erforderten die nächste Änderung.
Herrschte bis zum 9. Oktober der gemeinsame Wille nach Freiheit und Demokratie vor, so artikulierten sich danach die unterschiedlichen Auffassungen über die Ziele der Emanzipationsbewegung.
Aus der emanzipatorischen Feststellung „Wir sind das Volk“ wurde die politische Forderung „Wir sind ein Volk“. Plötzlich war es möglich, den Ruf nach deutscher Einheit zu formulieren. Eine Forderung, die kurze Zeit vorher die Staatsmacht unerbittlich und vernichtend auf den Plan gerufen hätte, deshalb auch bis dahin nicht offen gefordert wurde.
Um schnell freie Wahlen und Demokratie zu erreichen und um das bisher Erreichte zu sichern, bedurfte es jeden Montag der vielen hunderttausend Menschen auf den Strassen Leipzigs und in der DDR. Das war auch der SED und der Stasi klar. Dieser Gefahr wollten sie begegnen – Begegnen mit Hilfe der Dialoge und dem Abwürgen der großen regelmäßigen Demonstrationen. Waren diese doch die zur Schau gestellte Macht der Bevölkerungsmehrheit gegenüber der SED und dem MfS und deren löchrig gewordenen Grenzen.
Allerdings war klar, die vielen Menschen würden auf Dauer nur in großer Zahl kommen, wenn es auch regelmäßig zu politischen Kundgebungen kommen würde.
Dies galt besonders nach dem 9. November, dem Tag der innerdeutschen Grenzöffnung. Der mit der Grenzöffnung entwichene Druck musste über das regelmäßige Angebot an politischen Kundgebungen sozusagen kompensiert werden.
Neben das verführerische Angebot im plötzlich offenen Westen mussten wir unser politisches Angebot auf die Rednertribünen stellen. Es durfte politisch nicht ausreichen, reisen zu können und dafür alles beim Alten zu belassen.
Die Verhältnisse in der DDR mussten unumkehrbar verändert werden! Das ging nur über freie Wahlen und die Einheit in Freiheit.

Neu für uns: Der Wahlkampf… und wahlkämpfen…….
Im Vorfeld der ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 wurden die Demonstrationen politisch differenzierter, sie wurden zu Wahlkampfplattformen.
Letztlich setzten sich die Parteien am Wahlabend durch, die sich am Klarsten zur deutschen Einheit bekannten.
Ausschlaggebend für die Einzelergebnisse war das Zutrauen der Bevölkerung in die Geschwindigkeit des Einigungsprozesses, die die einzelnen Parteien versprachen.
Folgerichtig gaben sie der „Allianz für Deutschland“ (CDU, DSU, DA) in großer Mehrheit ihre Stimme und damit den Auftrag, die Deutsche Einheit zügig anzugehen.

Kurzum, die friedliche Revolution in der DDR brach der Freiheit und der Demokratie Bahn, stürzte vor allem von Leipzig aus die Berliner Mauer ein, setzte die Deutsche Frage auf die politische Tagesordnung und beantwortete diese ohne Zögern. Das Volk wollte nicht nur die Freiheit, es wollte genauso die Sicherheit vor Rückabwicklung dieser Freiheit.
Wir hatten keine Zeit. Ein möglicher Putsch in der damaligen Sowjetunion hätte mit Sicherheit die russischen Panzer, wie 1953 geschehen, wieder auf die Strassen gebracht und all das von der Bevölkerung im Herbst 1989 Erreichte zerschlagen. Diesbezügliche Gerüchte kursierten bereits um den Jahreswechsel 1989/90.
Ohne sicher viele Todesopfer wäre das angesichts der bekannten kommunistischen Geschichte niemals abgegangen. Dieser Gefahr mussten wir zuvorkommen.
Als dann im August 1991 in Moskau erfolglos geputscht wurde, waren wir bereits 9 Monate in der Sicherheit des westlichen Bündnisses.
Jede Bundesregierung, selbst eine von Lafontaine geführte, hätte sich dem Einheitsdrang der Deutschen positiv stellen müssen.
Es war aber Helmut Kohl und die von ihm geführte Bundesregierung, die zu dieser Zeit die Geschicke der alten Bundesrepublik leitete und die Einheitssehnsucht der Deutschen in beiden Teilstaaten erfasste und ausdrücklich bejahte.
Deshalb ist es auch Helmut Kohls Verdienst, den deutschen Einigungsprozeß gemeinsam mit der demokratischen DDR- Regierung unter de Maiziere und Meckel vorangetrieben zu haben.
Die Fehler, die danach gemacht wurden, ändern an dieser grundlegenden Aussage nichts.

 


Fehler, Missverständnisse und Aufarbeitung
Fehler wurden tatsächlich jede Menge gemacht.
In der Eigentumsfrage dem Grundsatz der Rückübertragung vor der Entschädigung den Vorrang zu geben gehört hier genauso dazu wie die Fehlentscheidung, in der Treuhandanstalt die ostdeutschen Firmen vorrangig verschleudern zu lassen, statt die Erhaltungswürdigen vor dem Verkauf zu sanieren.

Ein Missverständnis der besonderen Art ist das von der Hexenjagd auf ehemalige Stasileute in Ost und West.
Es grassiert die Mär, dass die Stasiunterlagenbehörde eine westdeutsche Kolonisierungstruppe und dass die Stasiunterlagenaufarbeitung angeblich die organisierte Hexenjagd auf unbescholtene Mitbürger ist.
Beides ist grober Unfug. Es waren die Ostdeutschen, die zu Hunderttausenden Akteneinsicht verlangten und dies durch ihre Abgeordneten im gesamtdeutschen Parlament gegen erhebliche rechtsstaatlich folklorierte Widerstände ihrer Westkollegen durchsetzten.
Was das MfS bis 1989 betrieb, dies war eine kontinuierliche Jagd auf die eigene Bevölkerung!
Das Thema Aufarbeitung wird uns noch lange bewegen. Weil wir aus den Fehlern der Aufarbeitung der NS-Diktatur gelernt haben. Sowenig uns ein ehemaliger Marinerichter Filbinger als Ministerpräsident im Westen unseres Vaterlandes zusagte, genauso wenig wollten wir die Nachfolger Honeckers als mögliche Regierungschefs in Ostdeutschland erleben.
Natürlich war die DDR ein Unrechtsstaat. Ein Unrechtsstaat, in dem selbstverständlich nicht jeder Mensch jeden Tag Unrecht tat. Der Staat war es, der seinen Insassen die Freiheit, die Demokratie, freie Wahlen, die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit – kurz die eigenständigen Mitwirkungsrechte vorenthielt – und der sie aus politischen Gründen inhaftierte, wenn er es für nützlich hielt. Die Menschen mussten sich darin einrichten und das Beste für sich daraus machen. Die meisten haben genauso anständig gelebt und ihre Kinder erzogen, wie die meisten Menschen anderswo auch.
Es war eine Minderheit, die sich auf die Diktatur mit den Mitteln dieser Diktatur einließ. Und mit dieser Minderheit will ich auch heute noch nichts zu tun haben. Doch anders als in Diktaturen, in denen Andersdenkende eingesperrt oder vernichtet werden, können sich die Gegner dieser Demokratie in dieser wählen lassen und in Parlamenten auftauchen. Das ist ein gewaltiger Unterschied! Nur die Zusammenarbeit mit jenen ist nicht erzwingbar! Das ist keine Fortsetzung des Kalten Krieges, es ist Handeln an der  Trennlinie von Freiheit und Unfreiheit!
Gerade deshalb bin ich zutiefst traurig, wenn ich nach Brandenburg schaue. Das es gerade meine Partei ist, die sich nach Zwangsvereingung und Verbot sozialdemokratischer Umtriebe denen an den Hals wirft, die die kommunistische Verbrechensgeschichte verklären, das ist für mich unfaßbar. Ist es das Stockholmsyndrom oder schäbiges um jeden Preis regieren wollen oder Verkennung des tiefen Grundwerterisses, an dem sich die SPD öffentlich zerreißt oder ist es ein Gemisch aus allem? 
Und Hochachtung empfinde ich vor Christoph Matschie und seiner Thüringer SPD, die auch einen schweren Weg geht, ihn sehr demokratisch entschieden hat.
 
Erfahrungen in der Demokratie
Seit beinahe 20 Jahren haben wir in Ostdeutschland die Freiheit und die Demokratie, seit 19 Jahren leben wir gemeinsam in der neuen Bundesrepublik und machen wir Ostdeutschen reale Erfahrungen in unserem neuen alten Land. Der heutige festliche Tag kann nicht der Tag eines vor allem kritischen Abrisses sein.
Erste Bemerkung: Mich stören die pawlowschen Reflexe. Sobald eine Partei einen Vorschlag äußert, stürzen sich alle anderen mit rituell eingeübten Niederschlagsargumenten blindlings darauf. Der Wille, Argumente der Anderen zu prüfen kommt leider oft zu kurz. Das muss anders werden. Wir machen damit die Menschen Demokratie-müde.
Zweite Bemerkung: Die Bundesrepublik ist föderal verfasst und leistet sich demgemäß 16 verschiedene Bildungssysteme.
Was den immer mobileren Familien mit ihren schulpflichtigen Kindern damit zugemutet wird, ist der kritischen Nachfrage würdig.

Franz Müntefering machte sich unlängst Gedanken zum Grundgesetz und zu einer Verfassungsdiskussion. Franz Müntefering hat Recht! Das Grundgesetz kann nur gewinnen, wenn es in einer Volksabstimmung zur Verfassung erhoben wird!
Richtig ist, dass die Ostdeutschen 1990 schnell die Einheit unter dem Schutz des Grundgesetzes nach Artikel 23 wollten. Weise war aber auch das Versprechen des alten Artikels 146 des Grundgesetzes, wonach sich das vereinigte Deutschland eine gemeinsame Verfassung geben wird. Wir sind seit 1990 wieder vereinigt, haben ein gutes Stück zusammengefunden und leben gern auf dem Boden des Grundgesetzes.
Was spricht dagegen, dieses Grundgesetz als Verfassung zu haben? Eine Verfassung, die in großer Mehrheit vom Volk angenommen wird, macht den Staat Bundesrepublik noch fester zum Staat derer, die hier leben.
 
Und wir müssen den Menschen klarmachen, dass die Demokratie nur ein Prinzip ist, welches Problemlösungen friedlich herbeiführt. Wie diese Lösungen ausfallen, das erreichen die am demokratischen Diskurs Beteiligten. Wer sich nicht beteiligt, der muss damit leben, dass andere ihre Vorstellungen einbringen und diese durchsetzen können. Demokratie ist kein Schaufenster, die Demokratie lebt von Einmischen und Mitmachen. Auch ist die Demokratie, kann es gar nicht sein, ein Garant für Gerechtigkeit und allgemeines Wohlergehen. Was gerecht ist und was Wohlergehen erzeugt, dass wird immer wieder demokratisch diskutiert werden müssen. Jeder Mensch, jede Gruppe hat hier ihre eigenen Vorstellungen und legt diese auf den Tisch der Demokratie. 


Vielen Dank!

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Frank Mieszkalski/17. Januar 2010

Für uns ist immer Montag …      

 

 

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

liebe Freunde und Weggefährten,

 

lieber Gunter Weissgerber,

 

sehr geehrter Pfarrer Schierz

 

liebe altvorderen Bürgerbewegten,

 

 

 

heute vor 20 Jahren und  zwei Tagen,  war Montag.

 

 

 

zur 19. Montagsdemo in Leipzig, am 15. Januar 1990, waren wieder, Gott sei Dank, über 100.000 Menschen gekommen. Nach der vom Superintendenten Magirius am 11. Dezember 89 verfügten und dann auch vereinbarten Pause der Besinnung und des Nachdenkens gab es seit 5 Wochen immer noch keine Redekundgebung. Warum eigentlich? Das Schweigen tat weh und erinnerte mich an die  verordnete Wortlosigkeit der vergangenen Jahre mit Maulkorberlass.

 

Denn in dieser Zeit schwiegen die Alten, ewig Gestrigen nicht und wurden schon wieder dreist ihr Machsystem im Schafspelz zu restaurieren.

 

 

 

Einzig Gunter Weissgerber spricht an diesem Montagabend in Leipzig aus einem Barkas heraus über Megafon und fordert auf, ja beschwört regelrecht die  Menschen, bis zu den ersten, freien und demokratischen Volkskammerwahlen in der DDR die Kraft der Straße nicht aufzugeben und weiter zu demonstrieren.

 

Gleichzeitig verfasste das Neue Forum am Zentralen Runden Tisch in Berlin den „Aufruf zu ungebrochenen Aktionen gegen die Restaurationspolitik der SED-PDS und ihres Sicherheitsapparates“. Hunderttausende im ganzen Lande folgen.

 

 

 

Erleichterung brach aus als sich herumsprach, dass die DDR-Zentrale der NaSiStasi in der Berliner Normannenstraße gestürmt wurde, auch wenn sich Modrow schlitzohrig als gewendeter Wegbereiter vor Ort präsentierte.  

 

Die letzte Bastion der abrufbaren Gewalt, die uns bis dato immer wieder in Angst und Schrecken versetzte, war gefallen!

 

 

 

Meine Damen und Herren,

 

liebe Freunde,

 

 

 

Wie auch heute, gab es vor 20 Jahren Menschen, DDR-Bürger, die hatten nicht den Mut sich den Problemen und Herausforderungen ihrer Zeit zu stellen.

 

Sie flüchten angesichts der Doppelzüngigkeit, der Umweltzerstörung, des wirtschaftlichen Niedergangs und des löchrigen, mit roter Farbe  übertünchten Unfriedens in die Schmollwinkel ihres Daseins.

 

Andere verschließen gänzlich die Augen, als ob die Probleme sich von selber lösen würden.

 

Wieder andere gebärden sich als lauthalsige Schuldzuweiser, Systemverächter oder gar Untergangspropheten.

 

 

 

Unsere Welt und die Welt unserer Kinder aber, fordert weder Resignation noch Verweigerung. Sie  fordert mutiges Einmischen, konstruktives Handeln und die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. 

 

 

 

Dies gilt heute ebenso wie in jenen Monaten, in denen wir uns den heißen Herbst 1989 bescherten.

 

Deshalb hat unsere Gegenwart in der moralischen Güteskala der Zeiten keinen besonderen Anspruch, aber sie hat eine Herkunft, die Herkunft der Montage.

 

 

 

Viel zu schnell sind uns die Szenarien und die vom politischen Machtkalkül bestimmten, politischen Umgangsformen der etablierten Parteien der alten Bundesländer übergestülpt worden. Halten wir heute einen Moment in Rückbesinnung inne.

 

Meine persönliche Bitte ist die, dass wir uns diesen Montagethos bewahren.

 

 

 

Seien Sie stolz auf sich und seien Sie glücklich, dass Sie, dass wir, zu jenen gehören, die als erste den aufrechten Gang in Leipzig und hier in unserer Heimatstadt Brandis gingen.

 

 

 

In den Spätsommermonaten 1989 bildeten sich zunehmend Gruppen und Freundeskreise von Ausreisewilligen, Andersdenkenden oder Kritikern, die den Zerfall nicht weiter ertragen wollten und bereit waren aus der stillen Opposition in die öffentliche Konfrontation mit dem Herrschaftssystem zu gehen. So auch wir.

 

 

 

Wir hatten es satt …

 

 

 

Wir hatten es satt, die alltäglichen Lügen zu ertragen und uns vor ideologischen Plattitüden zu erniedrigen.

 

 

 

Wir waren nicht mehr bereit uns dem einseitigen Machtanspruch der Partei, die immer Recht hat, zu beugen und uns von dreisten, gefräßigen Parteisekretären die Summe in der Lohntüte, den Urlaubsplatz, die Grüne Gurke oder den Blumenstrauß

 

als Belohnung für ein selbstverleugnendes Hampelmännchen zuteilen zu lassen.

 

 

 

Wir hatten es satt 7 Jahre auf eine Wohnung zu warten, um eine Familie zu gründen um dann unsere  Kinder zu Heuchlern erziehen zu müssen – Verrate ja nicht, dass unser Sandmännchen keinen Bart hat!  

 

 

 

Wir hatten es satt von Mauern zurückzuprallen, eingesperrt unter einer Bleiglasglocke zu leben, deren Luft kein gesundes, schadfreies Atmen mehr zu ließ.

 

 

 

Wir hatten es satt, die Blumen im Garten wegen tröpfelnder Wasserhähne verwelken zu lassen und das nächtliche Gedröhn der stählernen Friedenstauben zu ertragen.

 

 

 

Ach, war die DDR doch schön! So schlecht war sie gar nicht, Nein?

 

 

 

Allein 1989 kehrten 300.000 Bürger der DDR den Rücken, seit ihrem Bestehen 3,5 Millionen Menschen. Warfen sie sich etwa aus Tollerei den bösen Bonner Ultras an den Hals?

 

Seit 1985 betrug die jährliche Inflation 18%.

 

Die Städte und Gemeinden zerfielen. Die verfallenen leerstehenden Häuser stiegen proportional zu den Wohnungssuchenden.

 

Das Gesundheitswesen war auf das niedrigste Niveau Europas gesunken.  

 

In der Außenhandelsbilanz waren Defizite in Milliardenhöhe angelaufen.

 

Die nach dem Günter Mittag-schen ökonomischen System der Spontanung und Pleitung arbeitende Volkswirtschaft war nicht mehr in der Lage die eigene Bevölkerung zu ernähren, so dass zwei finanzielle Straußeneier ran mussten, um Know How und Lebensmittel zu importieren.

 

Der Menschenhandel im Freikauf von Oppositionellen und die Raubzüge des KoKo-Imperiums von Schalk Golotkowski konnten die Fehlbeträge auch nicht mehr decken.

 

Um den Verbrauch der Bevölkerung zu drosseln, plante man eine Preisreform.

 

 

 

Der Brandiser Peter Scholz schmuggelte die ersten neuen Etiketten aus der Leipziger Wertpapierdruckerei – das Stück Butter für zukünftig 5 Mark.

 

 

 

Der große Vorsitzende Erich Honecker hat es doch tatsächlich in dieser Zeit zu einem weitsichtigen Spruch gebracht - Den Sozialismus in seinem Lauf, hält weder Ochs noch Esel auf! Nur litt er bereits so stark an Realitätsverlust, dass er das Ende des Laufs nicht mehr verorten konnten.

 

 

 

Aber wir, wir sahen nicht nur das  Ende, nein wir sahen bereits den Neuanfang.

 

 

 

Wir wurden mutiger und wir wurden mehr, erst Hunderte, dann Tausende dann Hunderttausende, die Ihrem Wusch nach einer lebenswerten Welt, nach Selbstentfaltung und Selbstbestimmung auf der Straße Kraft verliehen.

 

 

 

In Brandis entstanden völlig spontan und unvernetzt, scheinbar einfach so nebenbei Bürgerinitiativen und die Gruppierungen von Neues Forum, Demokratie jetzt, Demokratischem Aufbruch, Sozialdemokraten, Grünen – die sich urplötzlich einmischten und zu Wort meldeten.

 

MdI und Stasi waren auf die Ausreisewilligen, die ihr „Wir wollen raus!“ skandierten fixiert und überfordert, als plötzlich wie ein Flächenbrand das „Wir bleiben hier!“ offenbar wurde.

 

 

 

Am 11. September 89, der 2. Montagsdemonstration nahmen die Sicherheitskräfte von VoPo und Stasi Rache für die mutige Demonstration am Messmontag zuvor, dem 4. September, als das Transparent „Für ein offenes Land mit freien Menschen – für Reisefreiheit und Demokratie“ vor der Nikolaikirche und der Weltöffentlichkeit entrollt wurde.

 

Ich werde Zeuge wie junge Männer mit Jeans und Blousons bekleidet den Protestierenden mit Anlauf ins Gesicht springen, sie zu Boden reißen und wegzerren, unter den Zugeführten soll unser Brandiser Kinderarzt Mehnert gewesen sein. Etwa zehn Brandiser sind anwesend.

 

Die vielen Zuschauer solidarisieren sich mit Buhrufen und einem Pfeifkonzert. 

 

 

 

195.000 angestellte Stasimitarbeiter und noch einmal über 200.000 akquirierte Spitzel gehörten zu diesem flächendeckendem Überwachungs- und Unterdrückungssystem.

 

 

 

Mein persönlicher IM Dieter Beinhart denunzierte mich wegen angeblicher Vorbereitung der Republikflucht und besaß noch die Frechheit mich zum Fußballabend vor seinem ersten von dem Judaslohn gekauften Farbfernseher einzuladen. Das paradoxe war, dass auf Grund des positiven Berichts des Brandiser ABV Wolfgang Teschner der operative Vorgang zu meiner Person ad acta gelegt wurde. Die Stasi traute nicht einmal mehr ihren eigenen Spitzeln.

 

Die Paranoia der Angst vor den Schlapphüten von Horch und Guck wurde im Herbst 89, mit der Besetzung der Schiefen Ecke, am 4. Dezember auf der 14. Montagsdemo  durchbrochen.

 

Über 150.000 Demonstranten verharrten bis gegen 2 Uhr vor den Toren der Stasibezirkszentrale, deren Chefs vielleicht schon im Stasibunker Machern Quartier genommen hatten. Der Brandiser Harald Weber trug an diesem Abend ein Plakat mit dem Sträfling Honecker.

 

 

 

Bevor wir zurück nach Brandis kehren, möchte ich die entscheidende 6. Montagsdemonstration, am 9. Oktober 89, aus eigenem Erleben  schildern.

 

In den Vortagen machte die Runde, dass sogenannte Internierungslisten von den Kreisdienststellen der Stasi aufgestellt wurden.

 

Trotz der bewusst gestreuten Gerüchte, dass uns die chinesische Lösung vom Platz des Himmlischen Friedens bevorstand, ließen sich 70.000 Menschen nicht abschrecken, die Entscheidung herbeizuführen.

 

Bereits am Vormittag hatten wir Informationen erhalten, dass für Krankenhäuser und Ärzte Dienstschlussverbot angeordnet war und Blutkonserven eingelagert wurden. Selbst die Krematorien sollen besetzt gewesen sein.

 

An den Flanken des Hauptbahnhofs standen BePo-Hundertschaften mit Wasserwerfern und schwerer Technik mit Planierschildern.

 

An den Ausfahrtstraßen hatten Armeeeinheiten mit Panzerwagen Stellung in ihren K-Räumen bezogen.

 

Die Verkaufseinrichtungen der Innenstadt waren vorzeitig geschlossen wurden.

 

Über der ganzen Stadt, die in einem verklärten Lichtschein lag, stand ein stilles Summen von den tausendfachen Flüstergesprächen der zuströmenden Menschen.

 

Als ich in einer Seitenstraße der Nikolaikirche die leuchtenden Augen der Hunde unter den Planenverdecken sah, lief es mir kalt über den Rücken.

 

Auf dem Nikolaihof wurde „We shall overcome“ gesungen und „Keine Gewalt!“ gerufen. Über den Stadtfunk wurde der Aufruf der sechs zum friedlichen Dialog verlesen.

 

 

 

Es ging los!

 

 

 

Immer wieder erklangen die Rufe „Wir sind das Volk!“, „Keine Gewalt!“, „Gorbi, Gorbi! und „Reiht Euch ein!“  Die Internationale erkämpft das Menschenrecht, wurde gesungen.

 

Der Zug setzte sich in Bewegung vorbei am Schwanenteich hinter der Oper. Hier standen die zitternden Kampfgruppeneinheiten und junge Mädchen traten aus dem Zug hervor und riefen „Väter, wollt ihr eure Töchter erschießen?“ und dann das „Reiht Euch ein, wir sind das Volk!“ Erleichterung!

 

Der Zug erreichte seinem ersten Kulminationspunkt, den Hauptbahnhof, vor dem bewaffnete Schützenketten mit Maschinenpistolen Sperrlinien bildeten.

 

Ein Zurück gab es für mich in der fünften Reihe nicht mehr. Der Zug schob unaufhaltsam weiter, so dass die VoPos plötzlich wegdrehten und sich in die Bahnhofshalle zurückzogen. Die Rufe beim Vorbeimarsch am Bahnhof waren wie ein befreiender Siegesjubel.

 

 

 

Der zweite Kulminationspunkt war, das erstmalige Passieren der Runden Ecke. Wir haben gebetet, dass  die Stasischergen nicht die Nerven verlieren und ahnten deren Gesichter durch die abgedunkelten Fenster.

 

Immer wieder traten Menschen aus dem Zug, stellten  eine Mauerlinie aus Kerzen vor dem Stasigebäude ab und riefen „Keine Gewalt!“ Einzelne Provokateure wurden sofort aus dem Demonstrationszug auf die abgelegene Seite abgedrängt. Wir waren stolz und befreit.

 

 

 

Die S-Bahnzüge in Richtung Wurzen und Brandis waren überfüllt und erst jetzt sahen wir zum ersten Mal die mutigen Gesichter und wer von uns aus Brandis dazu gehörte.  Wir wussten nun, das Brandis lebt und wieder eine Zukunft hat.

 

 

 

Am 7. Oktober wurde die SDP in Schwante und am 22. Oktober der „Demokratische Aufbruch“ als Partei in Leipzig gegründet. 

 

Am 26. Dezember 89 beschließt unsere Gruppe im Sportlerheim Brandis, uns in der SDP in der  DDR zu organisieren. Peter Brautzsch und Frank Mieszkalski erklären als erste ihren Eintritt in diese neue Partei.

 

Am 5. Januar 1990 wirbt Frank Knoblauch im Kirchgemeindesaal für das Neue Forum, das kreisweit fungiert und dessen 1. Sprecher er ist.

 

 

 

Nach  dem Konsultationstreffen mit den Leipziger Sozialdemokraten, die bereits am 7. November 89 ihre Gründung vollzogen haben, wird der Gründungsaufruf für Brandis und den Landkreis Wurzen verfasst, an das Schwarze Brett auf dem Markt angepinnt und an die LVZ geschickt, die diesen am 16. Januar 1990 veröffentlicht.  

 

 

 

Am 9. Januar gründet sich im Jugendclubhaus die Ortsgruppe des DA.

 

 

 

Am 1. Runden Tisch Brandis, am 10. Januar 1990  nehmen bereits die Vertreter der neuen Gruppierungen teil. Hier seien genannt, Christine Becker (NF), Irmhild Schulz (BI, später DA), Frank Mieszkalski (SPD) und allem voran natürlich Herr Pfarrer Schierz,

 

die sämtlichen Nomenklaturvertreter der alten Blockparteien gegenüber saßen.

 

 

 

Am 17. Januar tagt der 2. Runde Tisch Brandis und hat die Vertreter der zukünftigen Partnergemeinde zu Gast.

 

Die Grußworte von Bürgermeister Adelbert Künnemann, übrigens ein persönlicher Freund von Herbert Wehner beinhalten die Sätze:

 

 

 

„Am 9. November, dem Tag an dem sich die Grenzzäune und Mauern zwischen den beiden deutschen Staaten öffneten, hat der Regierende Bürgermeister vom westlichen Teil Berlins, Walter Momper, vor dem Schöneberger Rathaus ausgerufen „Wir Deutschen sind heute das glücklichste Volk der Welt“.

 

Wir Deutschen, verbunden durch eine tausendjährige Lebens- und Schicksalsgemeinschaft, können nun, nach jahrzehntelanger Trennung, wieder zueinander reisen, können auf allen Ebenen des menschlichen Zusammenseins wieder ungehindert miteinander sprechen, Gedanke austauschen und Kontakte pflegen. Mit unserem Hiersein ist der Anfang dazu gemacht. Wir hoffen auf gute zukunftsweisende  Gespräche in einer angenehmen Atmosphäre.“      

 

 

 

Im Anschluss an die Sitzung des Runden Tisch Brandis gründet sich der SPD -Ortsverein Brandis mit 16 Mitgliedern im Sportlerheim „Freundschaft“ in Brandis.

 

 

 

In der 2. OV-Sitzung am 24. Januar finden Wahlen statt.  1. Sprecher wird Frank Mieszkalski, 2. Sprecher Jürgen Böttcher, Kassenwart Elke Hennig und Schriftführer Peter Brautzsch.

 

 

 

In den nächsten drei Monaten wächst der SPD – Ortsverein Brandis auf 28 Mitglieder an. Die Wochen bis zum 18. März 1990 sind durch die Aktivitäten des Volkskammerwahlkampfes geprägt

 

Danach stellt die SPD Brandis ihr erstes kommunalpolitisches Programm

 

„Für uns steht der Mensch im Mittelpunkt“ auf und nominiert 15 Kandidaten für die Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Brandis.

 

 

 

Am 25. April findet der letzte Runde Tisch Brandis statt.

 

 

 

Zur ersten freien, demokratischen Kommunalwahl in Brandis werden 57 Kandidaten nominiert, davon davon 7 x BFD, 8 x CDU, 5 x DJ/GP, 12 x DA, 5 x NF, 5 x PDS, 12 x SPD und 1 x VS, als Spitzenkandidaten treten an Roland Kriegel (BFD), Jörg Haupt (CDU), Klaus Schulze (DJ/GP), Ina Exner (DA), Frank Knoblauch (NF), Günter Engel (PDS), Frank Mieszkalski (SPD) und Petra Holz (VS)

 

 

 

Der neue 20- köpfige Stadtrat wählt am 11. Mai 1990 aus seiner Mitte Frank Mieszkalski (SPD) zum Bürgermeister. Stadtverordnetenvorsitzender wird Joachim Große (CDU), 1. Stellvertreterin Irmhild Schulz (DA) und 2. Stellvertreter Peter Brautzsch (SPD).

 

 

 

Demokratie und Freiheit haben in Brandis ihr zuhause gefunden.

 

 

 

Liebe Freunde und Weggefährten,

 

 

 

in der heutigen Rückbesinnung und dem Brückenschlag zum Wendeherbst 1989 wollen wir das aufleben lassen, was uns in dieser Zeit der Entstehung unserer Bürgerbewegungen vereinte, das Streben nach Demokratie und Freiheit, nach Rechtsstaatlichkeit und sozialer Gerechtigkeit, nach Chancengleichheit und Fairness im Umgang miteinander.

 

 

 

Dies ist und bleibt auch nach zwanzig Jahren eine ständige Herausforderung, für die es sich lohnt, täglich aufs Neue zu kämpfen.

 

 

 

Wollen wir gemeinsam den Anspruch erneuern, das für uns immer Montag sein  wird.

 

 

 

Das Tagebuch der Wende hat natürlich viele Seiten mehr, als ich es hier umreißen konnte.

 

 

 

Gewissermaßen, als Impuls zur Erinnerung und gegen das Vergessen haben ich ein zur Zeit aus 11 Seiten bestehendes Chronologisches Gerüst  zusammengestellt, das es uns erleichtern soll, es diese Geschichte fortzuschreiben.

 

 

 

Jeder kann und soll in seinem Gedächtnis kramen und seine persönlichen Erinnerungen hinzufügen, damit diese Chronik an Vielfalt und Klarheit gewinnt.

 

 

 

Das ist unser erster Beitrag für das am Freitag, den 22. Januar 2010, in der Aula der Mittelschule stattfindende Forum und kann in fünf Jahren, zum 25. Jubiläum der friedlichen Revolution, vielleicht schon ein Brandiser Geschichtsbuch geworden sein.

 

 

 

Auf ein Gutes Gelingen!