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Montagsrede 11. Dezember 1989

Inmitten des Bundestagswahlkampfes 1994 übermittelte mir ein früherer Mitarbeiter des Leipziger Stadtfunks eine Audiokassette mit dem Mitschnitt meiner Rede vom 11. Dezember 1989 vom Balkon der Leipziger Oper. 

Um die Rede zu visualieren "legte" ich eine private Videoaufnahme der Montagsdemonstration vom 8. Januar 1990 "darüber". Unschwer auf dem Video vom 8. Januar 1990 zu erkennen, ohne Kundgebung wären die Leipziger Montagsdemonstrationen wenig später zu Ende gegangen. Die Menschen liefen orienterungslos vor der Oper herum, erblickten keine Redner und zogen dann weiter auf den Ring.

Am 10. Januar 1990 beschlossen die Organisatoren der Montagsdemonstrationen deshalb die Wiederaufnahme der Kundgebungen zum 15. Januar. In meinen Erinnerungen liest sich das so:

Gelang die SED-Strategie mit dem Aufruf zur Besonnenheit und die Verlockungen mit den Dialogen bisher nicht, so fielen jetzt die Vertreter der Bürgerrechtsbewegung am Runden Tisch Leipzig selbst auf die SED rein. Die ab Januar 1990 wieder auflebenden Demonstrationen wären nämlich ohne die gewohnten Kundgebungen regelrecht verhungert. Die Leute wären nicht mehr gekommen, hätten keinen Druck mehr gemacht. Dabei war es doch so, dass die Demonstrationen unbedingt bis zu den Volkskammerwahlen weitergehen mussten. Erst die Wahlen würden Sicherheit über den nächsten Weg bringen.
Um die Demonstrationen am Leben zu erhalten, mussten die Kundgebungen deshalb unbedingt wieder aufgenommen werden.

Am 10. Januar 1990 versuchte Magirius die Koordinatoren und ständigen Redner vom Beschluss des Runden Tisches Leipzig zu überzeugen. Natürlich völlig chancenlos! Geladen hatte er den Polizeichef, Jochen Lässig/NF, Thomas Rudolph/IFM, Gunter Weißgerber/SDP und Gudrun Neumann als Koordinatorin der Kundgebungen.
Die Argumentation Magirius‘ war so schlicht wie fadenscheinig. Die Demonstrationen entglitten zu nationalistischen Randalen und würden die öffentliche Sicherheit (drei Monate nach derselben Argumentation seitens der SED gegenüber den Montagsdemonstrationen!) und die Reformierung der DDR gefährden. Auf Seiten seiner demonstrationsfreudigen Gäste wurde dies alles als irrelevant und maßlos überzogen abgelehnt. Stattdessen wurde mit dem massiv vorhandenem Bevölkerungswillen zu weiteren Demonstrationen, weiteren Veränderungen und der freien Entscheidung in den kommenden freien Wahlen über den weiteren Weg argumentiert. Würden die Demonstrationen nicht weitergehen, würden noch viel mehr Menschen den Weg nach Westdeutschland wählen. Das Volk in seiner Mehrheit saß auf innerlich gepackten Koffern. Die Demonstrationen würden aber mit absoluter Sicherheit nur weitergehen, wenn weiterhin politische Kundgebungen vorgeschaltet blieben. Die Menschen wollen frei wählen und wollen wissen, wer die neuen Kräfte repräsentiert und vor allem, was deren politische Vorstellungen sind. Magirius musste unseren Willen zu Kundgebungen und Demonstrationen zur Kenntnis nehmen. Wir lehnten Magirius‘ Ansinnen höflich aber deutlich ab. Im Anschluss entstand diese Pressemitteilung: