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Der Pleitestaat

 

 

 

 

Annette Heinisch



 

Kennen Sie JAXA? Das ist die Japan Aerospace Exploration Agency.

 

Sie macht mit ihren 2.000 Mitarbeitern exakt das, was ihr Name sagt, nämlich Raumfahrt: “Standing on the Moon. And Beyond”. Ihre Aufgabe ist die Forschung, Entwicklung und der Betrieb von Weltraumprojekten, Satelliten, Trägerraketen und anderen Weltraumtechnologien. Auf ihrer Webseite erklärt sie ihre vielfältigen Missionen, die ganz grundsätzlich und weit über die Raumfahrt hinaus gehend Grundlage des technologischen Fortschritts sind. Die Wirtschaftskraft Japans ist vergleichbar mit der Deutschlands.

 

Wir haben in diesem Bereich auch ein Forschungszentrum, das Deutsche Zentrum für Luft – und Raumfahrt (DLR). Das hat rund 11.000 Mitarbeiter und kümmert sich um u. a. klimaverträgliches Fliegen, denn nachhaltiges Handeln, Umsetzung der Menschenrechtsstrategie (gemäß § 6 des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes), Vereinbarkeit von Beruf und Familie und Partnerschaft sowie Förderung der beruflichen Entwicklung der Mitarbeiter, Verbesserung von Arbeits- und Anlagensicherheit, des Gesundheitsschutzes sowie Erhalt und Schutz der Umwelt sind ihre Grundsätze.

 

Natürlich wird auch irgendwie, allerdings eher am Rande, etwas mit Weltraum gemacht. Mein Lieblingssatz auf der Webseite heißt: “Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist das Forschungszentrum der Bundesrepublik Deutschland für Luft- und Raumfahrt.”

 

Gut zu wissen.

 

“Seine Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in Luftfahrt, Raumfahrt, Energie, Verkehr und Sicherheit sind in nationale und internationale Kooperationen eingebunden.... Für das Nationale Raumfahrtprogramm wurden rund 305 Millionen Euro aufgewendet, was einen Anteil von 20 Prozent ausmacht.... Für den Bereich Forschung und Technologie lag das Volumen bei rund 301 Millionen Euro. Der Anteil des forschenden Raumfahrtbereichs am gesamten Raumfahrtbudget betrug somit 19 Prozent. Die Fördermittel des Projektträgers im DLR hatten ein Volumen von 2.240 Millionen Euro und des Projektträgers Luftfahrtforschung von 202 Millionen Euro.”

 

Gemeinhin nennt man 2.240 Millionen Euro 2 Milliarden 240 Millionen. Aber das würde nach sehr viel klingen, so wie Geldverschwendung oder so. Dabei gehen nach deren Angaben 20 % des Budgets auch in Raumfahrt, das ist doch immerhin etwas.

 

Aber das DLR macht es ja nicht allein. Gemeinhin wird behauptet, ein Staat wie Deutschland mit seiner Wirtschaftskraft könne gar nicht alleine Raumfahrt und Forschung in diesem Bereich stemmen. Also so wie Japan. Aber hier geht es nicht, weil...keine Ahnung. Wir machen lieber etwas mit Europa, in diesem Fall der Europäischen Weltraumagentur (ESA) mit ihren rund 2.547 Mitarbeitern aus allen Mitgliedsstaaten, die den Status von internationalen Beamten haben. Der Sitz ist (wie könnte es anders sein) Paris.

 

Man kann dem deutschen Steuerzahler viel vorwerfen, aber bestimmt nicht, dass er nicht genug Leute durchfüttern würde!

 

Projektträger

 

Wenn aber vom DLR Raumfahrt nur am Rande betrieben wird, was macht es dann mit seinen Milliarden? Es ist Projektträger, sogar einer der größten in Deutschland.

 

Projektträger, was ist das? Nun, das ist so etwas wie die NGOs der Förderlandschaft.

 

Regierungen vieler Staaten fördern Projekte in verschiedenen Bereichen, auch in der Wirtschaft. Gibt man z. B. bei der Förderdatenbank (ja, so etwas gibt es) das Stichwort “KI” ein, werden einem 34 Förderprogramme vorgeschlagen.

 

Ähnliches gibt es in verschiedenen Staaten, für sich genommen ist das nichts Besonderes. Man stellt einen Antrag im zuständigen Ministerium und dann geht alles seinen geregelten Gang. Das heißt: In der Schweiz z. B. geht es so, auch im UK und soweit ich weiß auch in den USA. Der Unterschied fängt allerdings schon bei der Antragstellung an: Während in der Schweiz der Antrag knapp 5 Seiten umfasst und von jedem durchschnittlich Begabten ausgefüllt werden kann, umfasst der Antrag für das vergleichbare Förderprojekt auf deutscher Seite in der Regel ein Buchformat und ist nur von Fachkundigen erstellbar.

 

Aber das ist nicht der einzige Unterschied. Deutschland muss einfach deutlich zu wenig Beamte haben, denn die Ministerien schaffen die Bearbeitung offenbar nicht. Daher ist diese auf beliehene Unternehmen ausgelagert, die sogenannten Projektträger.

 

Das sind Unternehmen, die sich nur mit der Bearbeitung solcher Förderanträge und begleitender Kontrolle der geförderten Projekte befassen. In Deutschland müssen nämlich ständig detaillierte Nachweise in regelmäßigen Abständen eingereicht werden. In der Schweiz z. B. werden lediglich Zwischenschritte vereinbart, dann schaut man, ob das geplante Zwischenziel erreicht wurde. Wenn ja, wird überlegt, ob und in welcher Höhe man weiter fördert und gut ist.

 

Die hiesigen Kriterien der Vergabe sind intransparent und von Projektträger zu Projektträger unterschiedlich. Das aber ist egal, denn das Vergabeverfahren der öffentlichen Gelder ist rechtlich nicht überprüfbar. Wer warum etwas bekommt, wer nicht und ob eine Ablehnung berechtigt ist, entzieht sich der gerichtlichen Kontrolle. Ein Verwaltungsgericht bezeichnete dies kürzlich als “gängige Verwaltungspraxis”, die (sic!) rechtlich nicht überprüfbar sei. Diese Praxis als willkürlich zu bezeichnen, dürfte den Kern sehr genau treffen. Erst die Gewinner der “Vergabelotterie” erhalten am Ende einen Förderbescheid, der prinzipiell justiziabel wäre.

 

Es kann dann auch passieren, dass völlig rechtswidriger Weise ein Bundesland aus seinen Mitteln den Bund fördert. Nicht selten sind Projekträger auch Ausgründungen aus staatlichen Forschungseinrichtungen. Ein Schelm, der meint, dass diese Forschungseinrichtungen (manchmal als Teil eines Konsortiums) bevorzugt Fördermittel bekämen. Natürlich würde so etwas nie passieren.

 

Dass ausländische Unternehmen, die auch einen Sitz in Deutschland haben, dieses Vorgehen mehr als skeptisch sehen und als “buddy – Wirtschaft” bezeichnen, verwundert nicht. Ein spanischer Anwaltskollege äußerte einmal entsetzt, so etwas hätte er in Deutschland nicht erwartet.

 

 

 

Projektträger und Pleite

 

Nun sind wir wieder beim DLR angelangt. Dieses hat nämlich seit vielen Jahren zwei eigene Projektträger (Projektträger DLR und Projektträger Luftfahrtforschung) und gehört damit zu den größten Projektträgern Deutschlands. 

 

Wie war das eingangs erwähnte Zitat? “Die Fördermittel des Projektträgers im DLR hatten ein Volumen von 2.240 Millionen Euro.” Viel Geld für wenig Raumfahrt. Und das ist nur der eine der beiden Projekträger. Das DLR war übrigens schon bei der Migrationskrise für die Verteilung von öffentlichen Geldern zuständig, befasst sich auch nicht nur mit “Fördermanagement”, sondern zudem mit “Strategieberatung, Analyse und Evaluation, Kommunikation, IT-Services – die Leistungen des DLR Projektträgers sind vielfältig, unser Qualitätsversprechen steht.”

 

Das DLR ist aber nicht allein, denn es ist ein äußerst lukratives Geschäft. Keiner weiß genau, wie viele Projektträger es in Deutschland gibt, es dürften mehrere Hundert sein. In all diese fließen Steuergelder, weil die Ministerien nicht wie in anderen Staaten die Fördermittelvergabe selbst übernehmen.

 

Das größte dürfte das Projektzentrum Jülich sein, auch bekannt als Projektträger Jülich (PtJ), eine Abteilung des Forschungszentrums Jülich.

 

Dieses war früher bekannt als Kernforschungszentrum, aber Kernforschung macht man in Deutschland bekanntlich nicht mehr. Wer würde schließlich noch Kernkraftwerke bauen, das tut doch gar niemand mehr...

 

Also mussten neue Aufgabenfelder her, der PtJ ist heute ein wichtiger Akteur, zuständig für die Verwaltung und Umsetzung einer Vielzahl von Förderprogrammen in verschiedenen Bereichen, darunter Energie, Umwelt, Gesundheit und Informationstechnologie. Mit seinen 1600 Mitarbeitern hat er im Jahr 2024 knapp 4,3  Millarden Euro betreut.

 

Nun stellte Finanzminister Klingbeil angesichts der trotz hoher Schulden vorhandenen Haushaltslöcher gerade fest: “Alles muss denkbar sein” und schließt auch Steuererhöhungen nicht aus.

 

Wenn alles denkbar sein muss, hier mein Sparvorschlag: Nicht nur die Gelder für NGOs einsparen, sondern die Milliarden für intransparente Förderungen und tausende Mitarbeiter bei den Projektträgern!

 

Und noch ein geradezu unorthodoxer Vorschlag als Gratis – Zugabe: Vielleicht könnte in den Forschungseinrichtungen mehr geforscht werden, denn das könnte für die Sicherung der Zukunft tatsächlich relevant sein.