

Annette Heinisch
Nicht wirklich überraschend ist, dass Elon Musk eine Partei gründet. Schließlich hat er seine Bedenken gegen die ausufernde Staatsverschuldung im Rahmen des “Big Beautiful Bill” nachdrücklich geäußert und die Absicht, bei einer Verabschiedung des Gesetzes eine Partei zu gründen, frühzeitig publik gemacht. Dass und warum Musk die finanzielle Lage der USA für fatal hält, wurde hier bereits beschrieben.
Nun also tritt er an, das “Einheitsparteiensystem” zu entmachten. Musk sieht das politische System der USA so, weil egal, ob Republikaner oder Demokraten an der Macht sind, die Schuldenlast stetig steigt und steigt. Es ist offensichtlich egal, wer regiert.
Die schwelende Unzufriedenheit mit der Politik in den USA sitzt tief. Besonders die freiheitlich – konservativen Wähler, die nicht der progessiv links – woken Linie der Demokraten folgen, fühlten und fühlen sich von Trump nicht vertreten, in Teilen geradezu abgestoßen. So entstanden innerhalb der Republikanischen Partei verschiedene Bewegungen, u. a. die “Republicans against Trump” und der Reagan Caucus, über den bereits berichtet wurde.
Die Tatsache, dass Donald Trump die popular vote gegen Kamala Harris (wenngleich knapp) gewonnen hat, kann leicht darüber hinweg täuschen, dass er weder die Masse der US – Amerikaner inklusive gemäßigte Demokraten noch alle Republikaner hinter sich vereinen kann. Was ihm geholfen hat, war die übergroße Unzufriedenheit mit den Demokraten, es war eine Wahl gegen diese.
Es ist letztlich ein Phänomen, welches auch in Deutschland gut bekannt ist. Die Politik überzeugt nicht. Wenn sie könnten, würden viele Wähler auf dem Wahlzettel “Keine von denen” ankreuzen. Ähnlich dürfte es vielen US – Amerikanern und auch anderen Europäern gehen.
Es ist eine Krise, die man durchaus als Krise der Demokratie bezeichnen kann.
Krise der Demokratie
Mittlerweile sind die westlichen Demokratien an einem Punkt angelangt, an dem sie unrettbar verloren scheinen. Besonders bemerkenswert ist, dass dieselben Phänome bei unterschiedlichen politischen Systemen identisch auftreten. Folgendes Zitat enthält eine sehr treffende Beschreibung des Desasters, welches sich politische Führung nennt:
„Das … politische System belohnt kurzfristige Taktiken gegenüber langfristigen Strategien, Irrationalität gegenüber Vernunft, Dilettantismus gegenüber Seriosität, Generalismus gegenüber Spezialisierung und Bauchgefühl gegenüber Beweisen. Die (xy) ist nur eine von unzähligen Geschichten darüber, wie aufeinanderfolgende … Regierungen es versäumt haben, auch nur annähernd mit grundlegender Kompetenz zu agieren.
Sie wissen nicht, was sie tun. Sie versuchen nicht einmal, es zu wissen. Und wenn dann etwas schiefgeht, lernen sie nicht daraus.“
So vertraut dies klingt, so betrifft es doch nicht Deutschland, sondern ist ein Zitat aus Ian Dunt’s Buch “How Westminster Works… and Why It Doesn’t.” Die Leerstellen stehen für „britische“ und das xy für Bewährungshilfe, ein System, welches die Politik in Großbritannien so verschrottet hat wie die deutsche die Energieversorgung. Das Buch beschreibt detailliert, dass und warum das britische politische System völlig untauglich ist, weshalb es völlig egal ist, ob Konservative, Labour oder die Reformpartei an der Macht sind. Keine der Parteien ist in der Lage, das System zu ändern, eine konsistente langfristige Politik zu verfolgen oder auch nur kompetente Leute in Ministerämter zu bringen.
Dasselbe gilt auch für Deutschland. Pikant ist, dass in dem Buch u. a. das first – past – the - post System, also das Mehrheitswahlrecht, ausdrücklich als eine der Ursachen der Misere benannt wird. „Es verringert die Kontrolle, verstärkt den politischen Tribalismus, korrumpiert den politischen Entscheidungsprozess und ermöglicht es den beiden großen Parteien, auf der Grundlage einer Minderheit der Stimmen die gesamte Exekutivgewalt anzuhäufen“, so fasst Dunt die Nachteile des Mehrheitswahlrechts zusammen und empfiehlt ein Verhältniswahlrecht mit ausdrücklichem Hinweis auf Deutschland.
Dass dieses keinen Deut besser ist, kann jeder Deutsche bestätigen. Alle genannten Probleme treten hier auch auf, ergänzt um ein weiteres: Man kann die Parteien nicht einmal an ihren Wahlversprechen messen, weil der hochgelobte Kompromiss im Rahmen von Koalitionsverhandlungen so etwas unmöglich macht. Demgegenüber ist im Vereinigten Königreich die Verantwortung in der Regel klar zurechenbar. An der schlechten Regierungsleistung ändert das aber nichts.
Ideal und Wirklichkeit
Zwischen dem demokratische Ideal und der erlebten Wirklichkeit klafft in nahezu allen westlichen Staaten ein tiefer Graben. Manche der löblichen Vorstellungen klingen, formuliert man sie ein wenig um, schon auf Anhieb befremdlich. So sollen bekanntlich die Grundrechte Abwehrrechte der Bürger gegen den Staat sein. Aber klingt es wirklich vernünftig zu erwarten, dass der Staat den Bürger vor staatlichen Übergriffen, also vor sich selbst, schützt? Das heißt doch erkennbar, den Bock zum Gärtner zu machen!
Dies hatte ich kürzlich so formuliert, Widerspruch kam nicht. Das ist auch klar, denn es macht schlicht keinen Sinn. Es wäre nicht einmal zuverlässig zu erwarten, wenn alle Bürger den Staat abwehren wollten und nur solche Persönlichkeiten in Staatsämter kämen, die diese Grundeinstellung verkörpern. „Und führe uns nicht in Versuchung“ ist aus gutem Grund Teil des Vaterunsers.
Bedenkt man aber, dass die meisten Bürger den Staat als Problemlöser und Versicherung gegen alle Nöte betrachten, ihn also mitnichten abwehren wollen, wirkt das Konstrukt erst recht abwegig. Natürlich gibt es immer „besorgte Politiker“, die sich der Sorgen und Nöte der Bürger aufopferungsvoll annehmen – das Ergebnis erlebten wir bei Corona.
Das Ideal aufgeklärter Verfassungen und damit des Grundgesetzes ist der freie und mündige Bürger. Dieser ist die notwendige und zwingende Voraussetzung einer funktionierenden Demokratie.
Tatsächlich will die Mehrheit der Bürger aber weder frei noch mündig sein, sie will sozial, ökonomisch, ökologisch usw. geführt werden. Diesem Bedarf widmet sich die Politik mit Freuden, wird auf diese Weise doch ihre Macht ins nahezu Unendliche ausgedehnt. Nur leider halten damit ihre Klugheit, Kompetenz und charakterlichen Tugenden nicht Schritt. Das Desaster ist vorprogrammiert.
Neue Partei
Es ist also klar, warum dieses seit vielen Jahren eingespielte und ausufernde System mit der Folge hoher Überschuldungen nicht einfach durch eine neue Partei geändert werden kann. Vielmehr bedarf es einer ernsthaften Analyse und Korrektur der zugrundeliegenden Fehlannahmen, um zielführende Maßnahmen umsetzen zu können.
Elon Musk wird vorgeworfen, politisch unerfahren zu sein. Dieser Vorwurf ist berechtigt. Musk hat allerdings mit seiner wissenschaftlich – methodischen Denkweise in vielen Feldern Erfolg gehabt, eine Denkweise, die bisher in der Politik absolut nicht vertreten ist. Mit dieser Denkweise könnte er dort Erfolg haben, wo andere bisher scheiterten.
Im Vergleich politischer Systeme lässt sich erkennen, dass konkrete Unterschiede (z. B. Wahlsystem) oft wenig relevant sind. Wenn man trotz Verschiedenartigkeit gleiche oder zumindest sehr ähnliche Ergebnisse erzielt, dann kann diese nicht kausal für Fehlentwicklungen sein. Interessanter wären folglich die Gemeinsamkeiten, denn diese dürften weit eher Ursache der Missstände sein. Klare Probleme sind demnach das politische Personal, Parteien und ihre Strukturen sowie das Fehlen strategischer Langfristigkeit.
Sollte Elon Musk sich nicht nur (wie bisher) in den politischen Trubel stürzen, sondern seine Vorgehensweise der sachlichen Fehleranalyse und – behebung auch im politischen Umfeld anwenden, könnte er auch in diesem Bereich Großes leisten.