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Ein kleiner Wutanfall

 

 

 

 

Annette Heinisch

 

Normalerweise bin ich ja ein freundlicher und gemütlicher Mensch, stets um Sachlichkeit bemüht (ja, ich weiß, was das heißt!). Aber momentan bin ich einfach nur wütend.

 

Es geht um die Bauern und all die anderen, die in einer Demokratie von ihrem Grundrecht aus Art. 8 Abs. 1 GG Gebrauch machen: „Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.“

 

Wie schon zuvor bei den Corona – Demonstrationen werden die Bürger, die von ihrem Grundrecht Gebrauch machen (manchmal sogar mit dem Grundgesetz in der Hand) diffamiert und kriminalisiert.

 

Nehmen wir den Vorfall in dem Fährhafen, der nunmehr bundesweit bekannt ist: Schlüttsiel. Dort legen Fähren an, die von den Halligen kommen. Der Minister für Wirtschaft und Klima, Robert Habeck, hatte auf den Halligen Urlaub gemacht und wurde bei seiner Rückkehr von Bauern und Spediteuren empfangen. Sie wollten mit ihm sprechen, aber das lehnte er ab. Er verließ die Fähre nicht, stellte sich nicht den Bürgern. Vielmehr legte die Fähre wieder ab und fuhr zurück.

 

Nun tobt ein Sturm der Entrüstung, der sich in reine Hysterie steigert und mehr über die Angst der Regierenden verrät als über den tatsächlichen Vorgang. Dass es z. B. keine Gewalt gegen Habeck gab, beweist ein (glücklicherweise aufgenommenes) Video. Das hindert aber Vertreter des Staates und der Medien weder an dieser Behauptung, noch an weiteren ehrenrührigen Beschuldigungen. Ich wiederhole diese ganz bewusst nicht, um ihnen nicht auch noch zur weiteren Verbreitung zu verhelfen.

 

Ein paar inhaltliche Punkte möchte ich aber ansprechen.

 

Zunächst wird (vor allem von Bundespolitikern) behauptet, es sei unstatthaft, einen Politiker privat im Urlaub bzw. bei der Rückkehr davon mit den Folgen seiner Politik zu konfrontieren. Ist das so? Darf ich höflichst fragen, wo die Rechtsgrundlage dafür zu finden ist?

 

Tatsächlich erleben dieses Kommunalpolitiker, u. a. Bürgermeister und Landräte, dauernd. Sie sind vor Ort nie privat, können in ihrer Gemeinde/Landkreis selten einfach irgendetwas machen, einkaufen oder spazieren gehen, ohne von irgendjemanden auf ein Problem angesprochen zu werden. Dazu kann z. B. auch gehören, dass man einer größeren Gruppe aufgebrachter Migranten aus Herkunftsländern gegenübersteht, die nicht selten eine gewisse Liebe zu scharfkantigen Gegenständen haben. Dennoch hat kein Kommunalpolitiker Personenschutz, geschweige denn die Möglichkeit, ggf. eine Hundertschaft der Polizei anzufordern.

 

Könnte es übrigens sein, dass dieses Rendezvous mit der Realität so manchen Kommunalpolitiker zu anderen Erkenntnissen bringt als die abgehobene Politikerkaste in Berlin, die man als Bürger praktisch gar nicht mehr erreicht? Boris Palmer ist ein Beispiel dafür.

 

Jedenfalls gibt es keinen Grundsatz, dass man privat von der unschönen Realität, die man anderen schafft, verschont bleiben muss.

 

Dann heißt es, es handele sich um einen „motorisierten Mistgabelmob“. Diese Arroganz macht mich besonders wütend.

 

1.       Wie kommt irgendwer dazu, hart arbeitende Mitbürger mit einem berechtigten Anliegen als Mob zu bezeichnen?

 

2.       Ist denjenigen, die sich so herablassend äußern, eigentlich bekannt, wie unverzichtbar dieser „Mob“ für das Gemeinwohl ist?

 

Es geht ja nicht nur um die Produktion von Nahrungsmitteln, was für sich genommen schon eine schwerere und wertvollere Arbeit ist als so manche andere. Die Bauern und ihre Familien sind es, die unser Land über Generationen am Laufen halten, die für sich und ihre Nächsten nicht nur durch warme Worte, sondern Taten sorgen.

 

Wer räumt denn den Schnee in den Dörfern? Wer ist bei der Freiwilligen Feuerwehr? Und wer ist da und hilft bei Sturm und Hochwasser? Nun? In Städten lamentiert man und wartet „auf den Staat“. Auf dem Land kann man auf Hilfe warten, bis man schimmelig wird. Hilft man sich nicht selbst, hilft einem niemand.

 

Momentan demonstrieren nicht nur die Bauern, sondern viele, u. a. auch Spediteure. Lassen Sie mich ein reales Beispiel aus dem überfluteten Norden schildern:

 

Weihnachten hat eine mir bekannte Familie, die eine Spedition betreibt, damit verbracht, Sand zu fahren, womit dann die Säcke gegen die Überflutung gefüllt werden können. Selbst die Tochter des Hauses, Mitte zwanzig, hat den 40 t LKW gefahren, ist unermüdlich dabei gewesen, Sand zu liefern. Allein über Weihnachten hat sie rund 50 Fahrten absolviert; danach ging es weiter. Als Einweiser ist ihr krebskranker Opa mitgefahren. Das Weihnachtsfest hat er sich bestimmt anders vorgestellt. Aber das Gemeinwohl geht vor.

 

Und diese Menschen werden nun beschimpft?

 

All diejenigen, die sich in Städten „geflasht“ fühlen, sich völlig losgelöst von der Erde über diejenigen erhaben fühlen, denen sie nicht ansatzweise das Wasser reichen können, sollten sich in Grund und Boden schämen. Das aber setzte voraus, dass sie noch ein Rest von Anstand und Ehrgefühl hätten.

 

Die Politik wird sich darauf einstellen müssen, dass die, mit denen sie sich anlegen, aus ganz anderem Holz geschnitzt sind, sich nicht so leicht einschüchtern lassen. „Das Leben ist kein Ponyhof“, so manche haben diese Lebensweisheit vergessen. Manche, aber nicht alle. Diejenigen, die im harten, realen Leben bestehen müssen, haben es nicht vergessen. Man sollte sie besser nicht unterschätzen.