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Fahnenflucht

 

 

 

 

Annette Heinisch


 

Aktuell plant die Ukraine bis zu 400.000 Männer zu rekrutieren, entsprechende Gesetzentwürfe liegen dem Parlament zur Entscheidung vor.

 

Der Beginn des Reservistenalters soll von 27 auf 25 Jahre herabgesetzt werden, so dass zwei weitere Jahrgänge eingezogen werden können. Bereits ausgestellte Wehrdienstuntauglichkeitsbescheinigungen sollen überprüft werden. Männer im wehrpflichtigen Alter wären zukünftig verpflichtet, sich in einem Wehrregister eintragen zu lassen und diese Daten regelmäßig zu erneuern. Musterungs – und Einberufungsbescheide sollen elektronisch zugestellt werden, so dass im Ausland lebende Ukrainer eingezogen werden können.

 

Diese Nachricht hat in Deutschland zu einer Kontroverse geführt. Justizminister Buschmann hat sich gegen eine Ausweisung von wehrfähigen Ukrainern ausgesprochen, wofür er durchaus Verständnis erntete. Der Herausgeber der Welt, Stefan Aust, äußerte dazu:

 

Das heißt de facto: Während die Bundesrepublik der Ukraine Waffenlieferungen in Milliardenhöhe finanziert, subventioniert sie gleichzeitig die ukrainischen Kriegsdienstverweigerer. Eine Ausweisung ins Kriegsgebiet kommt verständlicherweise nicht infrage. „Dass wir nun Menschen gegen ihren Willen zu einer Wehrpflicht oder zu einem Kriegsdienst zwingen, das wird nicht der Fall sein“, erklärte dazu Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP), was böse Zungen auch als heimliche Unterstützung Putins anprangern könnten.

 

Demgegenüber wies Reinhard Müller, Redakteur der F.A.Z. darauf hin, dass es „Kein Recht auf Fahnenflucht“ gebe.

 

Rechtliche Situation

 

Männlichen ukrainischen Staatsbürgern im Alter von 18 bis 60 Jahren ist seit der Generalmobilmachung die Ausreise aus der Ukraine verboten. Weitere Staatsangehörigkeiten der Betreffenden werden von den ukrainischen Behörden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt.“ So schildert das Auswärtige Amt zutreffend die Rechtslage.

 

Bei Vorliegen von Ausnahmetatbestände, wenn beispielsweise jemand im Ausland noch die Schule oder Universität besucht oder sich in einer Ausbildung befindet, ist eine Ausreise zulässig. Eine Wehruntauglichkeitsbescheinigung allein erlaubt hingegen nicht die Ausreise aus dem Land. Es gibt zahlreiche notwendige Tätigkeiten, die nicht unmittelbarer Kriegsdienst sind und keine besondere körperliche Tüchtigkeit erfordern, die aber sowohl zur Aufrechterhaltung des normalen Lebens wie auch zur logistischen Unterstützung der Verteidigung notwendig sind und von als untauglich Gemusterten erledigt werden können.

 

Hinzu kommt, dass die Wehruntauglichkeit auch durch korrupte Mitarbeiter der Rekrutierungsbehörden rechtswidrig bescheinigt wurde, weshalb Präsident Selenskyi im Sommer 2023 sämtliche regionalen Leiter der Rekrutierungsbüros entlassen hat. Da nicht nur Bestechlichkeit, sondern auch Bestechung strafbar ist (sowohl hier wie in der Ukraine), liegen insoweit kriminelle Delikte vor.

 

Bereits an diesem Punkt dürfte deutlich sein, dass sich männliche Ukrainer in dem fraglichen Alter häufig rechtswidrig in Deutschland aufhalten und auszuweisen wären.

 

Es dürfte sich in der Regel auch nicht um Kriegsdienstverweigerer handeln, wie Aust sie bezeichnet. Eine Verweigerung aus Gewissensgründen setzt einen entsprechenden Antrag in der Ukraine und Anerkennung voraus. Andernfalls handelt es sich um Fahnenflucht.

 

 

 

Dem wird entgegengehalten, dass man sie nicht zum Kriegsdienst zwingen dürfe und ihnen Schutz gewähren müsse. Diese Aussage stimmt in dieser Form nicht mit der Rechtslage überein. Diese wird bei Wikipedia zutreffend dargestellt :

 

„Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) legte im März 1995 die Auffassung dar, dass Wehrdienstverweigerern und Deserteuren zwar nicht generell Flüchtlingsschutz zukommt, dass sie aber sehr wohl unter bestimmten Umständen Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sein können. Dies treffe zu, wenn ihnen aus dem Grunde Strafe droht, dass sie sich weigern, an militärischen Aktionen teilzunehmen, die von der internationalen Gemeinschaft verurteilt werden oder durch schwere oder systematische Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht gekennzeichnet sind. Ähnliches legt auch das Handbuch des UNHCR für eine Weigerung der Teilnahme an einer militärischen Aktion fest, die von der internationalen Gemeinschaft als gegen die Grundregeln menschlichen Verhaltens verstoßend verurteilt wird.

 

In der Europäischen Union sagt Artikel 9e der Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie) denjenigen Schutz zu, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deshalb Bestrafung fürchten müssen.

 

In einzelnen Mitgliedstaaten, so auch in Deutschland, wird dies streng ausgelegt. Wer den Kriegsdienst verweigert und in Deutschland Asyl beantragt, muss sehr restriktiven Auflagen genügen (Nachweise der Einberufung sowie der Einsatzbefehle mit Aufforderungen zu völkerrechtswidrigen Handlungen; außerdem müssen Asylsuchende bereits im eigenen Land einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung gestellt haben).“

 

Diese völkerrechtliche Bewertung besagt also, dass Ukrainer, die sich dem Kriegsdienst entziehen, keinen Schutz genießen. Die Ukraine befindet sich vielmehr in der Verteidigung gegen einen völkerrechtswidrigen Angriff.

 

Anders könnte sich die Rechtslage für russische Soldaten darstellen:

 

„Angesichts des russischen Überfalls auf die Ukraine 2022 verwies Deutschland zunächst auf Einzelfallprüfungen für russische Deserteure und Kriegsdienstverweigerer. Nach der russischen Teilmobilisierung im September 2022 drängten einige EU-Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Linie für den Umgang mit russischen Kriegsdienstverweigerern; die politischen Positionen hierzu liegen jedoch weit auseinander. Die EU-Kommission wurde aufgefordert, die Leitlinien zur Visavergabe „unter Berücksichtigung der Sicherheitsbedenken der Mitgliedstaaten zu überprüfen, zu bewerten und gegebenenfalls zu aktualisieren“.

 

Von Kriegsbeginn bis Herbst 2023 haben etwa 3.500 russische Männer im wehrfähigen Alter in Deutschland Asyl beantragt, und über mehr als die Hälfte dieser Anträge wurde entschieden. Nur in 92 Fällen wurde Schutz bewilligt.“

 

Zur Vervollständigung sei darauf hingewiesen, dass auch in Deutschland Fahnenflucht gem. § 16 Wehrstrafgesetz (WStG) strafbar ist. Wer eigenmächtig seine Truppe oder Dienststelle verlässt oder ihr fernbleibt, um sich der Verpflichtung zum Wehrdienst dauernd oder für die Zeit eines bewaffneten Einsatzes zu entziehen, oder die Beendigung des Wehrdienstverhältnisses zu erreichen, wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Selbst das unerlaubte Entfernen von der Truppe ist gem. § 15 WStG mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren bedroht. Dieses umfasst die (auch fahrlässige) Abwesenheit von der Truppe von mehr als drei Tagen selbst dann, wenn keine Absicht der Fahnenflucht vorliegt.