Annette Heinisch
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) äußert sich enttäuscht, dass es außer von Polen keine Zusagen über Lieferungen des Leopard – Panzers gegeben habe. „Nach derzeitigem Stand könne Deutschland zusammen mit Portugal nur 17 statt der angepeilten 31 Leopard-2A6-Panzer zur Ausstattung eines ukrainischen Panzerbataillons liefern. „Die Zusagen kamen nicht in der erhofften Größenordnung, das hat mich gewundert“, so wird Pistorius zitiert.
Es entsteht der Eindruck, dass bis auf Deutschland und Polen nunmehr alle anderen Staaten die Ukraine im Stich lassen, außer markigen Worten nichts zu bieten haben. Das entspricht aber nicht den Tatsachen.
Polen und Deutschland haben sich die Aufstellung der zwei Panzer – Bataillone, bestehend aus jeweils 31 Panzern, geteilt. Polen ist für die Leopard 2A4 zuständig und hat mit anderen Verbündeten zusammen das Bataillon komplett.
Polen selbst stellt 14 Panzer zur Verfügung. Hier haben die Schulungen bereits angefangen. Norwegen wird 8 Leopard liefern, aufgrund der Bedeutung der Unterstützung für die Ukraine auch noch weitere 4 Spezialpanzer sowie Ersatzteile und Munition.
Kanada stellt 4 Panzer zur Verfügung. Diese sind bereits in Polen eingetroffen, die Schulungen durch kanadische Ausbilder finden derzeit statt. Kanada will für die Ukraine auch ein Luftverteidigungssystem NASAMS und 200 Panzerfahrzeuge kaufen. Spanien wird 4 bis 6 Leopard 2A4 liefern, womit mehr als die benötigten 31 Panzer für ein Bataillon vorhanden sind.
Anders sieht es aus bei den neueren Leopard 2A6, für die Deutschland zuständig ist. Davon gibt es in Europa nicht so viel, entsprechend weniger Verbündete kommen daher als Lieferant in Frage. Dass Deutschland bislang kein Bataillon zustande gebracht hat, ist allerdings Eigenverschulden. So wollten die Niederlande ihre 18 bisher von Deutschland geleasten Leopard 2A6 kaufen und diese der Ukraine schenken. Das allerdings lehnte die deutsche Bundesregierung ab. Dann darf sie sich nun nicht darüber beklagen, dass sie ihr Bataillon nicht zusammen bekommt.
Schaut man sich allerdings die Liste der Staaten an, die Leopard abgeben, so fällt auf, dass der Eindruck, Deutschland sei im Stich gelassen worden, objektiv falsch ist. Selbst Kanada, aufgrund der Entfernung nicht unmittelbar vom Krieg betroffen, hat geliefert.
Da in Kriegszeiten bekanntlich die Wahrheit das erste Opfer ist, ist eine Überprüfung der Richtigkeit von Behauptungen umso wichtiger.
Dies gilt auch für den häufig als „Beweis“ bezeichneten Artikel von Seymour Hersh, indem dieser die Verantwortung der USA für die Sprengung der Nordstream – Pipelines behauptet. Bislang sind keine Beweise für die Täterschaft eines Staates oder einer sonstigen Organisation gefunden oder zumindest veröffentlicht worden. Spekulationen ersetzen Beweise nicht. Der Artikel von Hersh enthält ebenfalls keine Beweise, sondern bleibt auf der Behauptungsebene. Wesentliche Angaben sind jedoch nachweislich falsch.
Selbst einem flüchtigen Leser fällt die offensichtliche Falschinformation bezüglich des Nato – Generalsekretärs Jens Stoltenberg auf, der laut Hersh seit Vietnam mit der CIA zusammenarbeiten soll. Wer das Alter von Stoltenberg bedenkt und dies mit den Daten des Vietnam – Kriegs vergleicht, erkennt die Lüge.
Schwieriger sind andere Fakten zu überprüfen. Laut Hersh habe ein Flugzeug der norwegischen Marine, konkret eine P 8, eine Sonarboje abgeworfen und damit die Sprengung ausgelöst.
“On September 26, 2022, a Norwegian Navy P8 surveillance plane made a seemingly routine flight and dropped a sonar buoy. The signal spread underwater, initially to Nord Stream 2 and then on to Nord Stream 1. A few hours later, the high-powered C4 explosives were triggered and three of the four pipelines were put out of commission.”, so schreibt er.
Die norwegische Marine hat jedoch keine Flugzeuge.
Die weiteren, teils sehr detaillierten Angaben halten einer Überprüfung ebenfalls nicht stand. Dieses hat eine unabhängige Untersuchung ergeben. Neben denjenigen, für die die Täterschaft aus ideologischen Gründen von vornherein feststand, gibt es nämlich auch Leute, für die es keine Bedeutung hat, wer die Pipeline in die Luft gesprengt hat. Es ist für sie eher von akademischem Interesse.
Dass die Story von Hersh einer Überprüfung nicht standhält, ist wenig überraschend. Wer ein wenig mit der Materie vertraut ist, erkennt erhebliche Lücken. Allein schon der Umstand, dass jedes Nato - Manöver in der Ostsee - vorsichtig formuliert - engmaschig von den Russen überwacht wird, macht den von ihm geschilderten Ablauf zwar nicht unmöglich, aber unwahrscheinlich. Die konkrete Erzählung ist zudem in sich nicht konsistent.
Das beweist nicht, dass die USA unschuldig sind. Die Überprüfung der in dem Bericht genannten Tatsachen beweist lediglich, dass es sich so, wie Hersh es schildert, definitiv nicht abgespielt hat. Bis ausreichend Beweise vorgelegt werden, die eine Täterschaft welcher Seite auch immer zweifelsfrei nachweisen, sind Spekulationen müßig. Insoweit ist es gut, dass die Behörden der verschiedenen Anrainer – Staaten unabhängig voneinander arbeiten, denn dann hat ein Ergebnis eine höhere Glaubwürdigkeit. Angesichts des enormen Vertrauensverlusts staatlicher Institutionen (zumindest in Deutschland) ist dies ein enormer Vorteil.