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VIZEPRÄSIDENTIN Věra Jourová Werte und Transparenz

Annette Heinisch


Die EU – Kommission ist bekanntlich die Regierung der Europäischen Union, sozusagen die Superregierung des Super – oder Suprastaats EU. Ganz billig kommt diese dem europäischen Steuerzahler nicht, schließlich muss er ja schon die eigene Regierung bezahlen. Die will schließlich nicht weniger Geld, nur weil sie weniger zu sagen hat, obgleich dies die logische Folge der Kompetenzverlagerung sein müsste. Und die Kosten der EU – Kommission sind nicht gering z. B.  wird Präsidentin Ursula von der Leyen mit rund € 36.000,- alimentiert – im Monat! Auch die „Stückkosten“ eines Kommissars fallen nicht knapp aus, das monatliche Salär kann bis zu € 25. 475,- betragen. Hinzu kommen deren Kabinette, Sonderberater und weitere Mitarbeiter. Billig ist das alles nicht, gerade die deutschen Bürger – mit Abstand größter Nettozahler der EU – müssen es bezahlen. Umso bedauerlicher, dass auch die Menge der Kommissare nicht gerade bescheiden ist, sie richtet sich schließlich nicht nach dem Bedarf, sondern der Anzahl der Mitgliedstaaten. Daher gibt es nicht nur Kommissare für die herkömmlichen Aufgaben wie Finanz -, Wirtschafts - oder Außenpolitik, vielmehr muss die Arbeit entsprechend geschaffen oder zumindest verteilt werden, so dass jeder Mitgliedstaat „seinen“ Kommissar bekommt.

 

Manche Zuständigkeiten wirken daher etwas putzig, so könnte sich ein EU – Bürger durchaus fragen, was ein Kommissar für „Werte und Transparenz“ eigentlich so beruflich macht. Die mit dieser Aufgabe betraute Kommissarin ist die Tschechin Věra Jourová, die zugleich Vizepräsidentin der Kommission ist.

Jourová ist eine Politikerin der Partei ANO 2011 („Aktion unzufriedener Bürger“). Diese Partei war  unter dem Vorsitzenden Andrej Babiš von 2013 bis 2017 Juniorpartner in einer Koalitionsregierung, von Dezember 2017 bis Dezember 2021 führte sie die Regierung mit Babiš als Ministerpräsidenten an. Politisch gilt die ANO 2011 als weder klar recht noch links, sie positionierte sich gegen Korruption und die politische Elite. Jourová studierte Kulturanthropologie an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag. Nach dem Studium, welches sie 1991 abschloss, arbeitete sie zunächst für die Stadtentwicklung ihrer Geburtsstadt Třebíč. Dort war sie beteiligt an der Entwicklung des Jüdischen Viertels, welches 2003 in die Liste des UNESCO – Welterbes aufgenommen wurde. Von 2003 bis 2006 war sie für die tschechischen Sozialdemokraten tätig und Stellvertreterin des Ministers für regionale Entwicklung. Sie wurde fälschlich der Korruption bezichtigt, verbrachte deshalb einen Monat in Untersuchungshaft, wofür sie eine Haftentschädigung erhielt. Anschließend studierte sie an der Karlsuniversität Rechtswissenschaften. Dieses Studium beendete sie 2012 erfolgreich.  Im Folgejahr schloss sie sich der ANO 2011 an und wurde Ministerin für regionale Entwicklung. Dieses Amt legte sie 2014 nieder, als sie EU-Kommissarin für Justiz, Verbraucherschutz und Gleichstellung in der Kommission Juncker wurde. In dieser Funktion arbeitete sie an der Datenschutz – Grundverordnung und dem EU – US Privacy Shield mit.

 

In der Kommission von der Leyen ist sie nun für „Werte und Transparenz“ zuständig.

Die Aufgabenbeschreibung dieses Zuständigkeitsbereichs lautet:

-          Leitung der Arbeit der Kommission zu Werten und Transparenz, Wahrung der Rechtsstaatlichkeit.

-          Sicherstellen, dass das demokratische System offen, transparent und vor externen Eingriffen geschützt ist.

 

-          Vorsitz der Commissioners’ Group on a New Push for European Democracy.

-          Eine führende Rolle bei der Konferenz zur Zukunft Europas und deren Folgemaßnahmen zu demokratischen Prozessen und institutionellen Angelegenheiten spielen.

-          Vermittlung von Gesprächen zur Verbesserung insbesondere des Spitzenkandidatensystems und transnationaler Listen.

-          Aufrechterhaltung eines offenen, transparenten und regelmäßigen Dialogs mit anderen EU-Institutionen, Bürgern, repräsentativen Verbänden und der Zivilgesellschaft.

-          Koordinierung eines EU-Aktionsplans für Demokratie zur Bekämpfung externer Interventionen bei EU-Wahlen.

-          Vorlage von Legislativvorschlägen, um mehr Transparenz bei bezahlter politischer Werbung und klarere Regeln für die Finanzierung europäischer politischer Parteien zu gewährleisten.

-          Unterstützung der Arbeit zur Bekämpfung von Desinformation und gefälschten Informationen bei gleichzeitiger Wahrung der Meinungsfreiheit, der Pressefreiheit und des Medienpluralismus.

-          Überwachung der Umsetzung des Verhaltenskodex, ggf. mit regulatorischen Eingriffen.

-          Risiken für die Pluralität im Mediensektor identifizieren und grenzüberschreitende Projekte zur Unterstützung unabhängiger und vielfältiger journalistischer Aktivitäten vorschlagen.

-          Führung von Gesprächen zu einem Transparenzregister und einer unabhängigen Ethik-Stelle für EU-Institutionen

-          Die Europäische Bürgerinitiative koordinieren, um den Europäern mehr Mitspracherecht bei der Entscheidungsfindung zu geben.

-          Leitung der Arbeiten zum Beitritt der EU zur Europäischen Menschenrechtskonvention.

-          Überwachung der Anwendung der Charta der Grundrechte.

-          Wahrung des Rechts auf friedliche Versammlung und der Vereinigungsfreiheit.

-          Sensibilisierung für die Rechte der EU-Bürgerschaft mit dem Programm „Rechte, Gleichstellung und Unionsbürgerschaft“.

 

-          Koordinierung der Arbeit zur Inklusion und Aufbau einer echten Union der Gleichheit und Vielfalt.

Das sind viele schöne Wörter, welche die inhaltliche Unbestimmtheit eher betonen als verbergen. In ihrem Amt kritisierte Jourová den Zustand der Rechtsstaatlichkeit in Ungarn, bezeichnete das Land konkret als „kranke Demokratie“, woraufhin Viktor Orban ihren Rücktritt forderte. Sie ist nunmehr zuständig für das Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn wegen Verletzung von EU – Grundwerten.

Ihre Aufgaben bezüglich der Stärkung der Demokratie („New Push for European Democracy“) dürfte vor allem bezüglich der EU selbst eine herausfordernde Aufgabe sein, schließlich ist die EU – anders als ihre Mitgliedstaaten – demokratiedefizitär. Das Bundesverfassungsgericht entschied in seinem „Lissabon – Urteil“ 2009:

„Das - gemessen an staatlichen Demokratieanforderungen - bestehende Defizit der europäischen Hoheitsgewalt kann durch andere Regelungen des Vertrags von Lissabon nicht aufgewogen und insoweit nicht gerechtfertigt werden.“

 

Echte Demokraten stehen der EU mithin aus guten Gründen skeptisch gegenüber. Die Arbeit an einer Stärkung der Demokratie wäre also eine ganz grundlegend wichtige – zumindest, was die EU betrifft.

Auch das Thema Transparenz ist virulent, vor allem in Bezug auf die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Nicht nur deren Mann, Heiko von der Leyen, machte Schlagzeilen wegen der Vergabe von EU - Fördergeldern, sondern auch von der Leyen selbst wegen verschwundener SMS bezüglich der Beschaffung von 1,8 Milliarden Impfdosen von Pfizer. Dieses Geschäft wurde angeblich rechtswirksam mittels der nun verschwundenen SMS abgeschlossen:

„Seitdem dies bekannt wurde, wird um Transparenz gekämpft – bislang vergeblich. Anfragen von Abgeordneten und Journalisten lässt die Kommission ins Leere laufen, veröffentlicht lediglich massiv geschwärzte Versionen der Verträge. Im Oktober teilte die neu gegründete Europäische Staatsanwaltschaft mit, in Sachen Impfstoffbeschaffung der EU zu ermitteln, und hüllt sich seitdem in Schweigen.“

 

Die Vizepräsidentin Jourovà hat also in vieler Hinsicht durchaus wichtige Aufgaben; bleibt zu hoffen, dass sie diesen gewachsen ist.