· 

Der Kommissar geht um… Heute: Margrethe Vestager

Annette Heinisch


Der Kommissar geht um…

Heute: Margrethe Vestager

 

 

Die EU – Kommission ist bekanntlich „die politisch unabhängige Exekutive der EU“ , die aus 27 Mitgliedern besteht. 32.000 Bedienstete erledigen die laufenden Arbeiten.

Dem Kollegium der Kommissionsmitglieder gehören neben der Kommissionspräsidentin acht (!) Vizepräsidenten einschließlich der drei Exekutiv-Vizepräsidenten, der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik sowie 18 Kommissare für die einzelnen Ressorts an. Jedes der drei zentralen Themen der EU ist einem Exekutiv – Vizepräsidenten zugeordnet: Frans Timmermans ist für den „europäischen Grünen Deal“ (wir berichteten), Valdis Dombrovskis für die „Wirtschaft im Dienste der Menschen“ und Margrethe Vestager für „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ zuständig.

 

Die Dänin, Tochter eines Pastorenehepaars, ist verheiratet und Mutter von drei Töchtern. Sie gehört der Partei „Radikale Venstre“ (RV; übersetzt: Radikale Linke) an, welche als linksliberal bezeichnet wird. Diese war von einem ihrer Ururgroßväter gegründet worden, Vestagers Eltern engagierten sich ebenfalls in der Partei. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Kopenhagen, welches sie 1993 mit einem Master of Science abschloss, arbeitete sie zunächst im dänischen Finanzministerium und anschließend als Sonderberaterin der Dänischen Staatlichen Finanzagentur. Gleichzeitig hatte sie das Amt der Parteivorsitzenden der RV inne.

 

Von 1998 bis 2001 war sie dänische Bildungsministerin, zeitweilig auch zuständig für das Kirchenministerium. Die Tatsache, dass ihre älteste Tochter nicht getauft worden war, führte damals zu öffentlichem Unmut.

 

2007 übernahm Vestager den Fraktionsvorsitz der RV und avancierte 2011 zur Wirtschaftsministerin, Innenministerin und stellvertretenden Regierungschefin Dänemarks. Auf Vorschlag der dänischen Ministerpräsidentin wurde sie 2014 EU – Kommissarin für Wettbewerb. Seit 2019 ist sie Exekutiv – Vizepräsidentin für Digitalisierung und Wettbewerb.

 

Einen Namen machte sie sich durch ihre rigiden Maßnahmen im Wettbewerbsrecht. Besonderes Aufsehen erregte ihr Vorgehen gegen den Google - Konzern, dem sie den Missbrauch seiner marktbeherrschenden Stellung vorwarf; deshalb wurde 2017 von der Kommission eine Kartellstrafe von 2,42 Milliarden Euro verhängt. Anschließend warf sie Google vor, seine Position beim Betriebssystem Android zu missbrauchen. Google erhielt eine Rekordstrafe in Höhe von 4,3 Milliarden Euro. Seit ihrem Amtsantritt wurden mehr als 15 Milliarden Euro an Kartellstrafen verhängt, mehr als doppelt so viel wie zur Amtszeit ihres Vorgängers.

 

Vestager untersagte 2019 die Fusion der Mobilitätssparten von Siemens (Deutschland) und Alstom (Frankreich). Diese war geplant, um der Konkurrenz des chinesischen Bahnbauers China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC) gewachsen zu sein. CRRC ist der größte Schienenfahrzeughersteller der Welt und einer der größten Industriekonzerne. Alstom zog sich daraufhin aus Deutschland zurück und fusionierte mit der Zugsparte des kanadischen Unternehmens Bombardier.

 

Weitere Konzerne gerieten in das Visier von Vestager aufgrund wettbewerbswidriger Steuerpraktiken in Mitgliedstaaten der EU. Das betraf vor allem Apple in Irland. Der Konzern soll 13 Milliarden Euro Steuernachzahlung leisten. Der FiatChrysler Konzern sollte in einem ähnlichen Fall Steuern in Höhe von 30 Millionen Euro an Luxemburg nachzahlen. Im November dieses Jahres erlitt die Kommission jedoch eine Niederlage im Steuerstreit gegen FiatChrysler vor dem EuGH. Diese wird als Vorzeichen für die Entscheidung im Verfahren gegen Apple gesehen und wirft die Frage auf, ob die Kommission überhaupt mit wettbewerbsrechtlichen Mitteln gegen Steuervereinbarungen von Mitgliedstaaten und Unternehmen vorgehen kann.

 

Tatsächlich hat die Kommission in letzter Zeit mehrfach bei Kartellstrafen juristische Niederlagen kassiert, was Milliardenrisiken für den EU – Haushalt birgt.

 

Im Bereich Digitalisierung hat sich Vestager gegen eine Fusion von Telekommunikationsunternehmen gewandt. Damit lehnte sie den Vorschlag des früheren Kommissars für digitale Wirtschaft, Günther Oettinger, ab. Auf den Vorwurf, dass die EU im digitalen Bereich von den USA und China deutlich abgehängt werde, wies sie auf die „europäischen Eigenheiten“ hin, „bei der stets tiefgehende Diskussionen mit anschließenden Kompromissen im Vordergrund stehen.“

 

Daher sei die EU nicht schnell, würde aber immerhin zunächst einen Rechtsrahmen schaffen.

Dies bedeutet, dass die EU zwar nicht mit der Digitalisierung, aber immerhin mit der Bürokratisierung vorankommt.