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Kann eine falsche Türkei Politik, wie bereits eine falsche Russland- Politik schwerwiegende Folgen für Europa haben?

Erol Özkaraca

Hop oder Flop? Kann eine falsche Türkei Politik, wie bereits eine falsche Russland- Politik schwerwiegende Folgen für Europa haben?
Wie soll es mit dem Verbündeten Türkei weitergehen?
Kommt es mir nur so vor oder berichten die Medien über die Entwicklungen in der Türkei nur "gedämpft" oder gar nicht wirklich?
Die Türkei ist nach meiner Auffassung in einer Trennungsphase zum Westen und es sieht so aus, als ob der Westen sie ziehen läßt, ohne einen Bruch formell zu besiegeln. Wie sieht es aus mit Offenheit und Ehrlichkeit gegenüber der eigenen Öffentlichkeit?
Osman Kavala hat nun erneut lebenslänglich bekommen, obwohl der EuGH seine erstinstanzliche Verurteilung für rechtswidrig und seine Freilassung angeordnet hat. Der Bürgermeister von Istanbul Imamoglu, der wohl aussichtsreichste politische Gegner des autokratischen Präsidenten ist ebenfalls mit einer Haftstrafe und einem Politikverbot belegt worden. Diverse andere türkische Oppositionspolitiker sitzen wegen "Terrorvorwürfen" ein und sind damit im Ergebnis politisch entsorgt worden.
Nun, alles offensichtlich kein Grund für die EU zu reagieren.
Das ist nachvollziehbar, denn Sarkozy und Merkel haben der Türkei doch sehr schnell klargemacht, nach dem sie unter Schröders SPD Beihilfe den Antrag auf Vollmitgliedschaft gestellt hat, dass die Türkei niemals Vollmitglied werden kann, egal ob sie die Aufnahmekriterien erfüllt oder nicht. Der Zeitpunkt hatte gepasst, hatten doch die Islamisten die Macht in der Türkei übernommen und wirksam damit begonnen die staatstragenden, europäisch gesinnten Kräfte wirksam politisch auszuschalten.
Das passte hervorragend, war nun die islamistische Türkei Grund für die dauerhafte und endgültige Ablehnung. Wie zum Beweis ließ man die Islamisten bis einschließlich heute bei der rechtsstaatswidrigen Beseitigung gesellschaftsrelevanter Kräfte und der politischen Opposition reaktions- und sanktionslos gewähren. Selbst bei der Niederschlagung der gesellschaftlich demokratischen Gezi Proteste sah man zu und berichtete zurückhaltend. Mit der Opposition in der Türkei hat man keine wirklichen Beziehungen zur Stärkung der Demokratie aufgenommen. Im Gegenteil man förderte die Islamisten und Nationalisten im Inland, allen voran in Deutschland, Niederlande, Schweden etc.
Die Islamisten nahmen diese EU Ablehnung Sarkozys und Merkels mit Freude erfolgreich zum Anlass, die EU und den Westen als islam- und türkeifeindlich darzustellen, die europäische Flüchtlingspolitik gegenüber der Türkei kam dafür ebenfalls wie gerufen und fingen an türkische Interessen zu formulieren und in den Vordergrund zu stellen. Sie gewannen an Popularität und änderten die türkische Außenpolitik. Die Türkei begann von einer Softpower- zu einer Hardpower Politik umzuschwenken und beendete auch damit eine der kemalistischen Grundprinzipien der Republik.
Die Türkei schaltete sich in internationale Konflikte ein und positionierte sich in Libyen, in Qatar, Somalia, Pakistan, Palästina, Syrien, Irak und stationierte dort bis auf Palästina Truppen.
Diese Politik kann die Türkei nur realisieren, weil sie seit 20 Jahren aufrüstet und der Westen reaktionslos bleibt.
Der Westen hat sich auf den Boykott von Waffenlieferungen beschränkt, obwohl die Türkei NATO Mitglied und EU Beitrittskandidat ist. Diese Reaktionen des Westens haben die Islamisten ebenfalls erfolgreich nutzen können, eine antiwestliche Politik zu betreiben und die türkische Öffentlichkeit dafür zu gewinnen. Sie konnten diese antiwestlichen Stimmungen und die westlichen Boykotte dazu nutzen, unglaublich viel Energie in den Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie zu lenken.
Die westlichen Medien berichteten über diese Entwicklungen der türkischen Aufrüstung so gut wie gar nicht und immer nur dann, wenn ein Produkt dieser Entwicklung aufgefallen ist, wie z.B. die Drohne TB2. Bei diesen Berichten über die TB2 ist mir aufgefallen, dass die westlichen Medien über sie als ein Hightech Produkt der türkischen Rüstungsindustrie berichten. Über die in der Türkei entwickelten und produzierten Drohnen wie z.B. die Kargu-2, die Akinci, Anka, Aksungur und die Kizilelma, die allesamt technisch anspruchsvoller und damit wirkungsvoller sind, berichten sie so gut wie gar nicht. Gleiches gilt für die in der Türkei entwickelte und produzierte intelligente Munition und Marschflugkörper, ohne die diese Drohnen gar keine Effektivität hätten.
Gleiches gilt für die in der Türkei entwickelten und produzierten Kurz- und Mittelstreckenraketen, Kriegsschiffe, Helikopter, gepanzerten Fahrzeuge, Flugzeuge etc. und deren jährlich steigende Exporte. Während hier die Medien über die Exportverbote Deutschlands, Schwedens, der USA etc.
gewissenserleichternd berichten, ist die Wahrheit, dass die Türkei nur noch Komponenten oder gleich ganze Unternehmen einkauft, für die es weder Genehmigungen bedarf oder die eben nicht unter die Exportverbote fallen. Außerdem schaut sie sich auf Märkten in Russland oder in Südost- Asien um, die zum einen günstiger zum anderen für sie frei zugänglich sind. Mit Zunahme dieser "Unabhängigkeit", die die Türkei insbesondere bei der Herstellung von Motoren für Panzer, Flugzeuge, Schiffe etc. noch nicht erlangt hat, formuliert sie eigene Interessen und setzt diese um. Dies wird nicht nur gegenüber Griechenland in der Frage der Ausbeutung der Ägäis und ihrer interessengeleiteten Russlandpolitik deutlich, sondern auch bei den Beitrittsverhandlungen Schwedens und Finnlands in die NATO, der Zukunft Syriens, Iraks, Aserbaidschans, Libyens, Somalias, den Turkstaaten Zentralasiens oder "Palästinas".
Ihre Interessen kann die Türkei defacto nicht innerhalb der EU oder der NATO mehr als Partner durchsetzen, so dass sie glaubt, dies nun eigenständig um- und durchsetzen zu können und sich der Eindruck manifestiert, der Westen kann und will es nicht verhindern.
Es stellen sich Fragen, die weder in der Öffentlichkeit noch in der aktiven Politik gestellt werden.
Wofür braucht die Türkei so viele Offensivwaffen, angesichts ihrer schwierigen, ökonomischen volkswirtschaftlichen Situation?
Wofür braucht die Türkei so viele verschiedene Trägersysteme mit geringer Sprengkraft?
Wenn die Türkei ihre Interessen über die des Westens stellen kann und stellt, obwohl ihre Ausgrenzung und militärische Boykottierung keinerlei Wirkung hatte, sondern im Gegenteil ihre Autarkie beförderte, kann sie dann noch Mitglied der EU- Zollunion und der NATO sein?
Was sind die Perspektiven einer islamistischen Türkei und was wären die Perspektiven einer demokratisch rechtsstaatlichen Türkei?
Welche Bedeutung haben die kommenden Wahlen in der Türkei für den Westen?
Ist die Türkei überhaupt noch einbindbar oder ist der point of no return bereits überschritten?
Wie sieht es mit dem Frieden in Europa, in Nahost und in Nord Afrika in Zukunft aus und welche Rolle spielt die Türkei dabei?
Kann eine falsche Türkei Politik, wie bereits eine falsche Russland- Politik schwerwiegende Folgen für Europa haben?
Fragen über Fragen...
Hat die deutsche und die türkische Öffentlichkeit ein Recht auf die Beantwortung dieser Fragen und vor allem ein Recht auf umfangreiche Information, um den Wert und die Auswirkungen möglicher Antworten bewerten zu können?
Ich denke die deutsche und die türkischstämmige Öffentlichkeit haben ein Recht auf die Beantwortung dieser Fragen, denn die Politik der Islamisten und die der europäischen Linken von Sozis bis Grün haben die Türkei "erfolgreich" zum Schlüssel für Frieden und Krieg in Südost- Europa, im Kaukasus, in Nahost und in Nordafrika gemacht und das wird Auswirkungen haben.