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EINE KLEINE WAHLNACHLESE

 

 

 

 

 

Annette Heinisch


 

Welche Erkenntnisse lassen sich aus der Wahl in Schleswig – Holstein ziehen?

 

Die CDU um Daniel Günther gewinnt; die Abkehr von der Panik – Politik und das Anpacken von Problem dürften der Schlüssel sein. SPD und AfD verlieren, Russland – Nähe scheint toxisch. Die Grünen bleiben städtisch, den Liberalen fehlt ein klarer Kurs.

 

 

 

Daniel Günther und mit ihm die CDU gewinnen die Wahl in Schleswig – Holstein und das nicht nur irgendwie, sondern mit haushoher Mehrheit. 43,4 % der abgegebenen Stimmen entfallen auf die Union, auch die Direktmandate gehen bis auf drei an sie. Die drei anderen haben die Grünen für sich erobert, wobei sich hierbei wieder zeigt: Die Grünen verbuchen im städtischen Umfeld Erfolge, in Schleswig – Holstein in Lübeck und zwei in Kiel.

 

https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2022-05-08-LT-DE-SH/

 

 

Einmal mehr wird klar, dass der romantisierende Hang zur Natur dort am stärksten ist, wo der reale Bezug fehlt. Die SPD verliert drastisch, die AfD ist aus dem Landtag. Offenbar ist eine Nähe zu Russland derzeit „toxisch.“ Die Liberalen verprellten mir ihrem Schlingerkurs bei Corona nicht, auch Spendierhose als Markenzeichen überzeugen nicht.

 

 

Ein Wermutstropfen ist die Wahlbeteiligung von nur 60,4%, allerdings liegt sie damit im Bereich der vergangenen Jahre. Genau das aber führt dazu, dass sich die Parteien damit bequem einrichten, dabei ist und bleibt diese ein Warnsignal in einer Demokratie: Wenn 40% der Wahlberechtigten für sich offenbar keine Wahl sehen, dann ist die Volksveranstaltung Demokratie eigentlich gescheitert. Hier besteht ein Problemfeld, welches sämtliche Parteien geflissentlich ignorieren, obgleich sich potentielles Unheil ankündigt.

 

 

Welche Themen waren bei dieser Wahl wichtig?

 

Bei allen drei Wahlen, die in der ersten Hälfte des Jahres anstanden und anstehen, hatten/haben „Merkelisten“ den Ministerpäsidentenposten inne. Ohne eine Nähe zur ehemaligen Bundeskanzlerin wäre man in der Partei nicht hochgekommen. Dennoch sind sie in ihren Persönlichkeiten sehr unterschiedlich, was sich in ihrem Führungsstil zeigte.

 

 

Daniel Günther ist ein beliebter Landeschef, der aufgrund seiner unprätentiösen, bodenständigen Art gut ankommt. Er wirkt nicht wie der typische Karrierepolitiker, hat sogar schon „normal“ gearbeitet, was nicht selbstverständlich ist. Er kommt im Norden auch deshalb gut an, weil er die dortige Stimmung sehr gut widerspiegelt.

 

 

Land oft he Free

 

Die Nordlichter sich bekanntlich tiefenentspannt. Panik ist nicht ihr Ding, was nicht nur für die Deutschen zwischen den Meeren gilt, sondern auch für ganz Skandinavien.

 

https://www.faz.net/aktuell/politik/wahl-in-schleswig-holstein/warum-die-schleswig-holsteiner-so-gluecklich-sind-18009278.html

 

 

Sehr deutlich wurde das im Umgang mit der Corona – Pandemie. Schweden war das Land mit den geringsten Eingriffen in die Freiheit, Dänemark beendete die Pandemie zügig. Insgesamt herrschte eine größere Gelassenheit, die typisch für die Mentalität im Norden ist.

 

 

Von den meisten Medien wenig beachtet war Schleswig – Holstein das erste Bundesland, welches dem Beispiel Dänemarks folgend die Pandemie praktisch beendete. Vor den anderen Bundesländern wurde bereits im März die Maskenpflicht gelockert, der Besuch von Lokalen wurde ohne Tests und Impfung möglich. Auch Einwohner aus anderen Bundesländern, allen voran Hamburger, die unter einem sehr rigiden Kurs des Bürgermeisters litten, genossen die Freiheit des Nordens.

 

 

76% der Bürger Schleswig – Holsteins zeigten sich mit der Corona – Politik der Landesregierung zufrieden, https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2022-05-08-LT-DE-SH/umfrage-coronapolitik.shtml

 

und 72 % aller Wähler sagten, Daniel Günther habe sein Land besser durch die Corona – Krise geführt als andere Ministerpräsidenten. https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2022-05-08-LT-DE-SH/umfrage-cdu.shtml

 

 

Das heißt nicht zwingend, dass die Bürger in anderen Bundesländern ebenso gelassen sind wie die im Norden. Bemerkenswert ist jedoch, dass der Unions - Ministerpräsident des Saarlands, Tobias Hans, nicht wiedergewählt wurde. Dieser fiel speziell durch seine Äußerungen zur Ausgrenzung von Ungeimpften auf, er wollte ihnen sogar die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall streichen https://www.saarbruecker-zeitung.de/saarland/tobias-hans-fordert-ende-der-lohnfortzahlung-fuer-ungeimpfte-bei-quarantaene_aid-62663445. Der Ministerpräsident des „Land of the Free“ hat hingegen eine überwältigende Mehrheit erhalten.

 

 

Abschied von Merkel

 

Daniel Günther ist bisher der einzige Unions – Politiker, der offen eine Debatte über die Fehler der bisherigen Russland – Politik forderte:

 

„Günther sagte, die Hoffnungen, die damit verbunden gewesen seien, dass man mit Russland wirtschaftlichen Handel treibe und es in die internationale Politik einbinde, hätten sich nicht bestätigt. „Von daher müssen sich alle, die in der Zeit Verantwortung getragen haben – und dazu gehört auch die CDU – diesen kritischen Fragen zurecht stellen.“ https://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Russland-Politik-der-CDU-Daniel-Guenther-spricht-von-Fehlern-und-fordert-Aufarbeitung

 

Das kam gut an. Es ist richtig, dass die Russland - Verstrickungen der SPD gravierend sind, aber die Union ist ebenfalls nicht unschuldig. Dieses offen einzuräumen und eine Aufarbeitung einzufordern, brachte Sympathien. Damit hat sich niemand so schnell von Merkel verabschiedet wie Günther. In Berlin mag man ihn noch als Exponent von Merkel sehen,
https://www.welt.de/politik/deutschland/plus238633595/Daniel-Guenther-Ein-Exponent-der-Merkel-Aera-gewinnt-die-Wahl.html

 

nicht aber in Schleswig – Holstein.

 

 

Günther packte die Probleme auch an, der Bau eines LNG – Terminals in Brunsbüttel wurde umgehend in Angriff genommen. https://www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/LNG-Terminal-Brunsbuettel-Landesregierung-macht-Tempo,lng242.html

 

 

Nachdem klar wurde, dass das Genehmigungsverfahren und der Bau trotz Beschleunigung dauern werden, sollen nunmehr schwimmenden LNG – Terminals als Übergangslösung dienen. https://www.dvz.de/rubriken/see/detail/news/guenther-will-schwimmendes-lng-terminal-in-brunsbuettel-anfang-2023.html

 

 

Dieses Anpacken entspricht der Mentalität im Norden. Wenn man sich auf hoher See einer Riesenwelle gegenübersieht, dann richtet man den Bug seines Schiffes darauf aus und geht sie an.  

 

Günther hat damit einen Nerv getroffen, denn die Umfragen zeigen, dass die Energieversorgung ein ganz entscheidendes Thema bei der Landtagswahl war.

 

https://www.tagesschau.de/wahl/archiv/2022-05-08-LT-DE-SH/umfrage-wahlentscheidend.shtml

 

 

 

Der CDU - Parteivorsitzende Friedrich Merz hat hingegen eine geringe Rolle gespielt, er war - anders als in Nordrhein – Westfalen - kaum präsent. Dort dürften die Wahlen spannender werden, denn Ministerpräsident Hendrik Wüst verfügt nicht über ähnliche Beliebtheitswerte. Er war ein Corona – Hardliner, hat sich ansonsten in keiner Weise besonders profiliert außer zuletzt durch die Behauptung, dass der Muezzin – Ruf ein Beitrag zur Integration sein könne.

 

https://www.nzz.ch/international/hendrik-wuest-muezzin-ruf-kann-beitrag-zur-integration-sein-ld.1680632?reduced=true

 

 

Ob dies konservative Wähler überzeugt, mag man bezweifeln.

 

Besonders interessant dürfte die im Herbst stattfindende Wahl in Niedersachsen sein. Die derzeitige Lage ist gekennzeichnet durch das Fehlen einer starken Opposition. Die als Juniorpartner in der Regierung befindliche Union ist unsichtbar. Dabei ist besonders brisant, dass weite Bereiche der Russland – Verstrickungen der SPD bekanntlich ihre Wurzeln in Niedersachsen haben. Dies müsste die Union ebenso thematisieren wie den unverantwortlichen Umgang mit der Energiekrise. So hat Ministerpräsident Weil es abgelehnt, sich mit der Frage der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken zu beschäftigen, denn „wir haben ein Gas- und kein Stromproblem.“

 

https://www.welt.de/politik/deutschland/article237959671/Ministerpraesident-Weil-Nordsee-Gasfelder-anbohren-realistisch.html

 

 

Hier hätte der Wirtschaftsminister und Parteivorsitzende der CDU, Bernd Althusmann, natürlich einhaken und die Zusammenhänge richtigstellen müssen. Ebenso hätte er das Thema Gasgewinnung im rohstoffreichen Niedersachsen angesichts der bedrohlichen Lage ansprechen müssen, nicht zuletzt deshalb, weil besonders energieintensive Wirtschaft in Niedersachsen beheimatet ist.

 

 

Eigentlich müsste die Union den Wahlsieg angesichts der gravierenden Fehler der SPD auf dem Silbertablett serviert bekommen. Derzeit ist aber nicht erkennbar, aus welchen Gründen der Wähler sich für sie entscheiden sollte.