
Foto: Deutsch-Tschechische "Friedensgrenze bei Bärenstein/Veijperty (Weipert) 1957"
Es häufen sich die Meldungen, wonach viele der russischen Soldaten nicht wissen, dass sie sich nicht im Manöver an der ukrainischen Grenze befinden, sondern Teilnehmer eines mörderischen
Überfalls auf ihr Nachbarland sind. https://www.bild.de/politik/ausland/politik-ausland/sie-sterben-fuer-einen-sinnlosen-krieg-seine-soldaten-sind-putin-voellig-egal-79309370.bild.html?fbclid=IwAR1pjowwM-kGeWRuooz9cORPSgPjyMAM-eTv1WPtyUWiwaNJlshTxzURZzc).
Wäre das nicht schon 1968 beim sowjetischen Einmarsch in die CSSR genauso gewesen, damals wurde der „Prager Frühling ermordet so wie heute die demokratische Ukraine in ein faschismusähnliches
Konstrukt zurückgebombt werden soll, könnten solche Meldungen auch als Kriegspropaganda des westlichen NATO- und Ukraine-Imperialismus abgetan werden. Was jedoch unmöglich ist. Die jungen und
sicher überwiegend ängstlichen und traditionell schlecht versorgten Soldaten wussten beim Einmarsch in die Ukraine offiziös am 24. Februar 2022 ganz sicher nicht, dass sie zum Morden losziehen
und gleichzeitig Kanonenfutter sind. Konkret überfiel Rußland bereits 2014 die Ukraine.
Der russische Muschik muss schon immer für alles herhalten. Egal ob unter „Iwan dem Schrecklichen“, Lenin, Stalin, Breschnew oder Putin.
Interessanterweise führt der Internetblog „Wortbedeutung.info“ (https://www.wortbedeutung.info/Muschik/) vier Deutungen für
Muschik auf:
„Bedeutung/Definition
1) ein einfacher russischer Bauer im zaristischen Russland
2) salopp: ein russischer Mann oder Alter (bei der Anrede)
3) scherzhaft: ein russischer Soldat
4) Jargon: ein Häftling im Hochsicherheitstrakt eines russischen Gefängnisses“.
Bei Alexander Solschenizyn und vielen anderen russischen Denkern ist das alles auch sehr gut nachlesbar. Das macht nicht einmal viel Mühe. Man sollte es nur wissen wollen.
Unser Vater
Kurt Weißgerber geriet als Infanteriefunker am 1. Februar 1945 19jährig in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Die schwer wiederzugebenden Umstände seiner Gefangennahme
erspare ich mir an dieser Stelle. Krieg ist immer furchtbar. Er hatte überlebt. Das war wichtig.
Seine fünfjährige Gefangenschaft war hart. Auch hier erspare ich Einzelheiten. Er überlebte zum Glück auch diese Zeit.
Mir geht es am Beispiel unseres Vaters um etwas anderes, um seinen Blick auf die „Muschiks“, die er als Soldaten und Bewacher kennenlernen musste.
„Wir hatten mehr zum Fressen als die armen Schweine, die uns bewachen mussten! Wir hatten ja auch einen Wert, wir mussten schwer arbeiten. Aber die armen Kerle, die taten aus Sicht ihrer
Offiziere nichts. Wache schieben war keine Arbeit“.
Unser Vater sprach zeitlebens von dieser prägenden Erfahrung. Für ihn waren seine Kriegsgegner „arme junge Kerle“ gewesen, die dieselbe Angst durchlitten und dieselben Sehnsüchte hatten. Der
Hunger gehörte zu den gemeinsamen Erfahrungen von Gefangen und ihren Bewachern für Kurt Weißgerber.
Mitte der 70er Jahre konnten sich unsere Eltern ihr erstes Auto kaufen. Den sowjetischen „Saporosch“ gab es 1975 für einige Monate ohne Wartezeit für rund 8.000 DDR-Mark. Auf einen Trabant lag
die Wartezeit damals bei 12 und mehr Jahren.
Mit „Sascha“ fuhren unsere Eltern seitdem beinahe jährlich in ein Betriebsferienheim nach Trassenheide an der Ostsee. An der Fahrstrecke lagen oft sowjetische Krad-Soldaten an Kreuzungen, die
dort meist tagelang auf ihre Kolonnen zum Wegweisen warteten. Zwanzig Jahre jung, ohne ausreichende Verpflegung. Das waren die „Muschiks“, die Vater erlebte. Bei ihrem Anblick hatte er immer
dasselbe da-ja vu. Hungrige, ängstliche, von ihren Vorgesetzen missachtete junge Männer fern der Heimat. Immer machten unsere Eltern halt, sagten den Jungs „jetzt gibt es Brot“, machten kehrt und
fuhren ins nächste Dorf zurück zum Bäcker. Mit genügend Brot im großen Netz ging es zu den Soldaten, begleitet von den Worten „Hier Brot, Chleb für euch“ Und bitte beim nächsten 1953 nicht mehr
mit Panzern kommen!“.
Meine Erfahrungen
Anfang der 70er Jahre war meine Klasse zu Gast in einer sowjetischen Kaserne. Einiges wurde uns gezeigt, darunter auch ein Schlafsaal für vielleicht hundert oder
mehr Soldaten. Ein riesiger Raum ohne die Spur von Intimsphäre der hier drin Hausenden in Friedenszeiten. Bett an Bett, dazwischen kleine offene Regale für die Siebensachen der Soldaten. Bei
diesem Anblick war ich beim Bild meines Vaters über die rechtslosen grauen Mäuse, Muschiks genannt. „Das soll die Armee des Weltfriedens sein? Diese zusammengepferchten ihrer Privatheit beraubten
Jungs sollen der Fortschritt sein?“, so meine Gedanken damals. Diese Armee stand für vieles, für Humanität nicht. Wer so mit seinen eigenen Leuten umgeht, dem ist nicht zu trauen.
Ostdeutsche Putin-Unterstützer
Was in aller Welt ist mit den vielen Ostdeutschen geschehen, die mit Putins Überfall auf die Ukraine und dessen wehrmachtsähnlicher Kampfführung wenig
oder gar keine Probleme haben? Die meisten Ostdeutschen wussten bis 1989, wie die Sowjetarmee mit ihren Soldaten umging, wie wenig diese jungen Männer galten.
Hielt es ein 20jähriger Sowjetsoldat nicht mehr aus und flüchtete aus der Kaserne, wurde durch die ganze DDR gejagt und überlebte er das Verprügeln, flog er schwerverletzt wie ein Kartoffelsack
auf die Ladefläche des Jagdfahrzeuges und verschwand für immer. Für Ostdeutsche war klar, „die bringen den um“.
Und was ist heute? In Putins Armee herrscht noch immer derselbe menschenfeindliche Geist. Der „Muschik“ gilt nichts, überhaupt nichts. Verreckt er, ist er selber schuld, hat sich ja erwischen
lassen. So hielt das schon „Väterchen Stalin“ mit den Sowjetsoldaten vieler Nationen, die die Dreistigkeit besaßen, die Hölle der deutschen Kriegsgefangenschaft zu überleben. Statt sich auf ihre
Befreiung zu freuen, hatten sie Angst vor dem Gulag. Diese armen Seelen wussten, nach Hitlers Niederlage würden sie in den stalinschen Lagern verschwinden.
Chauvinismus
Aber vielleicht hat das ja was mit Chauvinismus zu tun? Weil es „nur“ um Slawen geht? Zu DDR-Zeiten wurden solche Vorgänge gleichgültig hingenommen. "Die Russen machen
das mit ihren Leuten schon immer so" und ähnliche zynische Bemerkungen gab es von DDR-Offizieren, von großen und kleinen Vertretern der führenden Klasse. Ich habe das nie eingesehen.
Staatsbürger in Uniform
Zur selben Zeit als die sowjetische Untertanenarmee die CSSR überfiel war die Bundeswehr schon längst eine Armee mit dem Leitbild vom „Staatsbürger in
Uniform“. Der Begriff wurde 1952 vom damaligen wehrpolitischen Berater der SPD Friedrich Beermann geprägt und in der Folge vom Amt Blank, das die Wiederbewaffnung vorbereitete, übernommen.
(Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Staatsb%C3%BCrger_in_Uniform).
Gegensätzlicher können Armeen nicht aufgestellt sein. Auch wenn nie alles Gold sein kann, was glänzt. Aber wieso im Westen der Republik Sozialisierte Putin und seiner Armee Sympathien
entgegenzubringen vermögen, das ist ohne psychologische Hilfe nicht erklärbar.
Das Glück der Mutigen
Wladimir Putin beweist der Welt gerade, wie richtig sich die Ostdeutschen 1990 entschieden hatten. Die Einheit in der Freiheit und in der Sicherheit der NATO
war damals nötig, das historische Zeitfenster war knapp bemessen. Bereist im August 1991 sollte es mit dem Moskauer Putsch geschlossen werden. Hätten die Putschisten obsiegt, wäre die kurz vorher
reformierte DDR so sonderoperiert worden wie es 2022 der Ukraine widerfährt. Blut, sehr viel Blut wäre geflossen.
Deshalb haben die anderen ehemaligen Baracken des östlichen Lagers, nicht nur die „lustigste Baracke“ – Ungarn, folgerichtig ihre Anträge auf Mitgliedschaft in der NATO gestellt.
Mir war schon 1990 zu Zeiten des offenen Fensters völlig klar, Moskau wird wieder kommen und wenn das geschieht, wird es so ablaufen, wie es seit 2014 in der Ukraine wütet.
Am 9. Juni 1990 wurde Wolfgang Thierse in Halle vom SPD-Ost-Parteitag zum neuen Vorsitzenden gewählt. Da er sich in den Monaten zuvor bezüglich zügiger Deutscher Einheit aus meiner Sicht meist
als unsicherer Kantonist zeigte, suchte ich so schnell wie möglich ein Gespräch mit ihm. Den genauen Tag habe ich nicht mehr in Erinnerung, meine Kalender liegen weit weg im Archiv der
„Friedrich-Ebert-Stiftung“ in Bonn, deshalb denke ich, es müßte der Dienstag oder Mittwoch darauf gewesen sein, dass ich mit ihm in seinem Berliner Büro reden konnte.
Meine Argumentation war klar. Wir haben wenig Zeit und müssen so schnell wie möglich die Deutsche Einheit bekommen. Falls Moskau einen Rückzieher macht, wird es sehr ungemütlich.
Er hörte mir zu und gab mir zu verstehen, dass ich das zu eng sehe. Nach seiner Meinung gäbe es Zeit bis 1992/93 oder gar bis zur nächsten Volkskammerwahl.
Mit meiner Meinung zur schnellen Einheit galt ich als kalter Krieger.
Wladimir Putin beweist der Welt gerade, wie sehr die in die NATO Geschlüpften Recht hatten. Unterm Schirm ist besser leben als daneben.
Faktisch überfiel mit Putins Armee eine Untertanenarmee eine moderne Armee couragierter Staatsbürger und Vaterlandsverteidiger. 1806 ging die altpreußische gegen Napoleons moderne Armee von
Staatsbürgern sang- und klanglos unter. So wird das mit Putins Armee nicht geschehen. Dennoch scheint
sich eine Götterdämmerung am puitnschen Firmament abzubilden. Geht der der Krieg noch länger. ist Putins Scheitern und das seiner Armee nicht mehr ausgeschlossen. Hierzu veröffentlichte die NZZ
am 12. März 2022 diesen Artikel:
Die ukrainische Armee verdankt ihren Erfolg auch
ihrem Oberbefehlshaber
Netzfund am 03.03.2022:
Friederike Hempel: Russischer Soldat DU
Anke Bengel auf Facebook am 05.03.2022
Eckhard Mackh, 22.03.2022:
Textauszug:
"...Die russische Armee hat versagt. Die Ukrainer wissen, wofür sie kämpfen. Wissen es die russischen Soldaten?
Russland verliert den Krieg in der Ukraine. Russische Soldaten verlassen ihre Panzer aus Angst und fliehen. Die Offensive steckt fest, die Soldaten sind demotiviert, es fehlt an Treibstoff, an Nahrung. Ein krasses Beispiel für den desolaten Zustand der russischen Armee ist die Verpflegung. Die ganze Welt staunte, als man Bilder zu sehen bekam von 2015 abgelaufenen Feldrationen, die getötete und gefangengenommene Soldaten auf sich trugen. Putins Armee muss marodieren, um nicht zu verhungern. All das besagt, dass die neue Armee Russlands die alte Sowjetarmee geblieben ist, die Armee der Hungrigen.
Mit knurrendem Magen im Feld
Ich habe die militärische Ausbildung als Militärübersetzer an der pädagogischen Hochschule in Moskau abgeschlossen. Ich bin Offizier der Sowjetarmee, Leutnant der Reserve. Ich werde nie vergessen, wie ich im Militärlager in Kowrow bei der Vereidigung las: «Ich schwöre, bis zum letzten Blutstropfen mein sozialistisches Vaterland zu verteidigen.» Daraufhin küsste ich die Fahne, sie roch nach geräuchertem Fisch. Unsere Kommandanten hatten Bier getrunken, Fisch dazu gegessen und danach die Hände an der Fahne abgerieben.
Das Essen im Militär war miserabel, unaufhörlich Grütze und ein undefinierbares Gesöff, so dass wir stets mit knurrendem Magen herumliefen und sonntags Überfälle auf das nächstgelegene Dorf verübten. Dort stahlen wir Gemüse aus den Gärten, schüttelten Äpfel von den Bäumen und bekamen fast alle Durchfall davon.
Beliebt war der Küchendienst, ja er wurde geradezu als Fest empfunden, da man sich dabei nach Lust und Laune satt essen konnte. Wenn wir in der Küche die Büchsen mit dem Schmorfleisch öffneten, assen wir jeweils heimlich die Hälfte erst einmal selbst auf. Die andere Hälfte wanderte auf den Offizierstisch. Für die gemeinen Soldaten blieb nur noch Grütze ohne Fleisch übrig. Niemand stiess sich daran, niemand hielt es für niederträchtig, dem anderen das Essen aus dem Napf wegzustehlen, schliesslich tat es jeder, wenn er beim Küchendienst an der Reihe war.
Jede Armee spiegelt die Quintessenz der Gesellschaftsordnung wider. Die russische Armee spielt eine wichtige soziale Rolle im Land, sie ist eine Anlaufstelle für die Éducation sentimentale. Und die russische Armee war und bleibt eine Schule der Sklaven.
Der tiefere Sinn des Militärdienstes liegt in den «nicht auf Vorschriften beruhenden Verhaltensregeln», diesen unverbrüchlichen, ungeschriebenen Armeegesetzen, Dedowschtschina genannt. Die Stellung eines Soldaten in der sozialen Hierarchie hängt von der Zeit ab, die er abgedient hat. Die älteren Soldaten haben praktisch unbeschränkte Macht über die neuen Rekruten und nutzen sie aus, indem sie die Rekruten täglich zwingen, schwere Arbeiten auszuführen.
Auch in Friedenszeiten sterben täglich Soldaten
Willst du als Rekrut überleben, musst du zuerst zum Sklaven werden, deine Menschenwürde fahren lassen. Später wirst du von einem Sklaven zu einem Herrn, nun bist du an der Reihe, die Neuen zu prügeln, ihnen in die Stiefel zu pissen, sie eine mit Schuhwichse beschmierte Brotscheibe essen zu lassen, ihnen die von zu Hause zugeschickten Lebensmittel wegzunehmen. Die meisten russischen Männer absolvieren diese Sklavenausbildung und tragen die erworbenen Fähigkeiten und Fertigkeiten in jede Familie. Die Brutalität in Alltagskonflikten in meinem Land ist erschreckend. Toleranz ist so gut wie unbekannt.
In ihrem Bericht über die «Situation der russischen Streitkräfte» veröffentlichte die Konrad-Adenauer-Stiftung 2006 folgende Zahlen: Jährlich wurden etwa 130 000 Straftaten begangen. Gegen 15 700 Soldaten und Offiziere wurde ein Strafverfahren eingeleitet, 15 000 von ihnen wurden verurteilt. Wegen des Diebstahls von Waffen, Technik, Ausrüstung und finanziellen Mitteln erhielten mehr als tausend Soldaten und Offiziere Freiheitsstrafen. 40 Prozent aller Straftaten waren auf physische Gewalt zurückzuführen. Monatlich starben (in der Friedenszeit!) durchschnittlich 88 Soldaten und Offiziere, das macht jährlich 1064 Soldaten, 276 von ihnen durch Selbstmord und 16 durch physische Misshandlungen der Vorgesetzten und anderer Soldaten. ..."
04. Oktober 2022 Massenschlägerei in der russsischen Armee
Kommentar Chris Sensebusch:

