· 

Letsch und Weißgerber entziehen der Bundesregierung das Mandat

Liebe Bundesregierung,

 

wir sind bitter enttäuscht. Sicher, das sind wir nicht zum ersten Mal. Im Grunde sind wir das seit einigen Jahren andauernd. Aber wir wollen nicht abschweifen und uns heute nicht mit den Schneisen der Verwüstung in unserer Demokratie befassen, welche die letzten beiden Legislaturperioden hinterlassen haben. Unsere aktuelle Enttäuschung hat einen konkreten Anlass, nämlich das Fehlen eines offiziellen Vertreters der Bundesrepublik bei der Eröffnung der amerikanischen Botschaft in Jerusalem. Die EU wird somit durch die Vertreter Österreichs, der Tschechischen Republik, Rumäniens und Ungarns vertreten sein, während unser Land, dessen Kanzlerin bei jeder Gelegenheit die besonderen Beziehungen zu Israel betont, den Boykott derjenigen anführt, die der Meinung sind, Israel habe kein Recht, seine Hauptstadt frei zu wählen und die USA hätten nicht das Recht, diese Wahl zu akzeptieren. Wir empfinden es als Schande für die Bundesrepublik Deutschland, sich den Drohungen derjenigen Kräfte im Nahen Osten zu beugen, die sich bei jeder Gelegenheit mit der Feindschaft zu Israel brüsten und die all ihr Streben auf die Vernichtung des einzigen jüdischen Staates auf dieser Erde richten.

 

 

 

Frau Bundeskanzlerin Merkel, Sie sind bekennende Christin und sollten schon in der Bibel sehr leicht jene Stellen finden können, in denen von Jerusalem und seiner Bedeutung für das Judentum die Rede ist. Sie sollten auch die jüngere Geschichte gut genug kennen um zu wissen, dass die Teilung der Stadt im Jahr 1948 eine ebenso unnatürliche war, wie die Teilung Berlins nach dem Krieg. Sie sollten wissen, dass Städte, egal wie alt oder groß sie sind, nur als Ganzes funktionieren können. Schließlich betonen Sie dies in Bezug auf Städte in Deutschland bei jeder Gelegenheit, wenn sie fordern, No-Go-Zones dürfe es nirgends geben. So unteilbar Berlin heute ist, so unteilbar muss auch Jerusalem sein. Ebenso klar ist auch, dass die Menschen in Israel diese Stadt zu ihrer Hauptstadt gewählt haben. Sie ist die Hauptstadt aller Israelis, ganz gleich, ob sie Araber, Christen, Bahai, Atheisten oder Juden sind. Die Entscheidung für Jerusalem als Hauptstadt, ist bereits vor langer Zeit durch einen Parlamentsbeschluss der Knesset gefallen. Sitz des Parlaments ist Jerusalem. Sitz des Präsidenten ist Jerusalem. Regierungssitz ist Jerusalem. Der oberste Gerichtshof Israels sitzt in Jerusalem. Die Regierung der USA hat dem bereits 1995 durch den Beschluss Rechnung getragen, den Sitz ihrer Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, auch wenn es noch sehr lange dauerte, dieses Gesetz zu ratifizieren. Gerade Deutschland sollte nicht 20 Jahre damit warten.

 

 

 

Herr Vizekanzler Scholz, Sie stehen in den Fußstapfen von sozialdemokratischen Politikern und es ist noch nicht ausgemacht, ob Sie in diese Formen passen. Der Übervater der SPD, Willy Brandt war es, der als Bürgermeister des Westteils der geteilten Stadt Berlin erleben musste, wie es sich anfühlt, wenn die Solidarität der Weltgemeinschaft auf der Kippe der Opportunität steht und was es für die Menschen in einer solchen Stadt bedeuten kann, wenn die Solidaritätsadresse eines Politikers von Einfluss nur vier Worte in der Landessprache zu deren Bewohnern spricht. Von Helmut Schmidt sollten Sie gelernt haben, dass man sich den Forderungen von Terroristen und Erpressern unter keinen Umständen beugen darf, dass jedes Zögern und jedes Zugeständnis nicht als Zeichen des Friedens, sondern der Schwäche interpretiert wird. Im Übrigen war es der Sozialdemokrat Moshe Dajan, der an der Wiedervereinigung der Stadt Jerusalem im Jahr 1967 entscheidenden Anteil hatte. Man kann nicht einerseits das Glück feiern, dass Berlin wieder die ungeteilte Hauptstadt Deutschlands ist und andererseits von den Israelis verlangen, ihre historische Hauptstadt aufzugeben oder sich mit einem Stückchen davon zu begnügen, zumal deren Gegner nicht einmal dies akzeptieren.

 

 

 

 

 

Sehen Sie beide sich an, welchen Charakter die „Proteste“ der Fatah und Hamas gegen die Entscheidung der Vereinigten Staaten haben, ihre Botschaft nach Jerusalem zu verlegen und überlegen Sie gut, ob Sie sich mit deren Zielen gemein machen wollen, indem Sie dem Terror durch feiges Wegducken Legitimität verschaffen. Die ständige Beteuerung, Israels Existenz sei Staatsraison für die Bundesrepublik Deutschland, wird durch die bloße Anerkennung eines Fakts kaum gefordert. Sie müssen keine Sorge haben, dass die israelische Regierung eines Tages beschließen könnte, die deutschen Lippenbekenntnisse im Ernstfall in klirrende militärische Münze zu verwandeln. Die Israelis passen auf sich selbst auf. Die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt des jüdischen Staates wäre im Vergleich zu deutschen U-Booten jedoch nur ein kleiner Preis, dazu muss nicht einmal die deutsche Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt werden. Vermutlich fühlt sich das deutsche Botschaftspersonal in Strandnähe ohnehin wohler, auch wenn die Sommerluft in Jerusalem stets etwas angenehmer ist, als am Mittelmeer. Einen Botschafter oder Staatssekretär zur Eröffnung der amerikanischen Botschaft zu schicken, wäre jedoch ein wichtiger Schritt, den Kontakt zur Realität im Nahen Osten nicht ganz zu verlieren.

 

 

 

Wir möchten deshalb betonen, dass wir die Entscheidung der Bundesregierung, zur Eröffnung der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in Jerusalem keinen offiziellen und hochrangigen Vertreter zu entsenden, für grundlegend falsch halten. Wir entziehen Ihnen deshalb in dieser Angelegenheit das Mandat, für uns zu sprechen und beauftragen würdigere Vertreter damit. Wir bitten hiermit die Abgesandten Österreichs, der Tschechischen Republik, Rumäniens und Ungarns, dem israelischen Volk unsere besten Wünsche zu überbringen und bitten sie weiterhin, im Namen von sehr vielen Deutschen unseren Hoffnungen auf die erfolgreiche Arbeit der Botschaft der Vereinigten Staaten in Jerusalem, der Hauptstadt Israels, Ausdruck zu verleihen.

 

 

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Roger Letsch und Gunter Weißgerber

Passend zu Jerusalem: Daliah Lavi