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125. Geburtstag Richard Lipinski MdR

Es war eine interessante und mit viel Hoffnung versehene Zeit. Die SDP/SPD gab es erst kurze Zeit wieder und wir suchten nicht nur Gestaltungsideen für Gegenwart und Zukunft. Die Suche ging auch in die Vergangenheit der regionalen Sozialdemokratie. Schnell wurde ich fündig. Richard Lipinski schien wichtig gewesen zu sein.

Sofort nahm ich auch die Suche nach seinen Nachkommen auf, die in Bennewitz bei Wurzen leb(t)en. Die kleine Anhöhe in der Siedlung mit dem Haus der Lipinskis hier 1992 im Volksmund immer noch "Lipinski-Berg". Richard Lipinski genoß dort auch 56 Jahre nach seinem Tod hohes Ansehen. So war mein Eindruck.

Richard Lipinskis Sohn Fritz und dessen Frau waren mir gegenüber sehr aufgeschlossen, kramten vieles aus ihren Erinnerungen an den Vater und zeigten mir zum Schluß dessen große Bibliothek, die Nazi- und Kommunistenzeit überstanden hatte.

Fritz Lipinski wurde 1936 zusammen mit seinem Vater verhaftet und von der SA geprügelt. Fritz kam aber eher als sein Vater wieder raus.

1945 gründetet Fritz die SPD in Bennewitz wieder und trat nach der Zwangsvereinigng, gegen die er agitiert hatte, wieder aus.

 

06. 02. 1992 / Südfriedhof Leipzig / Urnenhain / Abteilung 6 15.00 Uhr / Grabstelle 550

 

Redner: Gunter Weißgerber Mitglied des Deutschen Bundestages SPD

 

Sehr geehrte Angehörige, Freunde und Weggefährten Richard Lipinskis! Sehr verehrte Anwesende!

 

Welche Gedanken gehen heute Lebenden durch den Kopf, wenn sie einen zu ehrenden Mann nicht mehr kennen, mehr als 40 Jahre über ihn nichts vernehmen konnten?

Was geht heute in den Köpfen
Leipziger Sozialdemokraten vor, wenn sie plötzlich einen der ihren erkennen, welcher zudem sehr große Schuhe im Regal stehen ließ?

Noch sind wir nicht zu Richard Lipinski’s Leben und Vermächtnis   in seiner vollen Tiefe vorgedrungen, doch ahnen wir
bereits deutlich Größe und Bedeutung seiner Person für uns.

In
wesentlich schwierigeren Zeiten als den heutigen markierte er Möglichkeiten und Grenzen der deutschen Sozialdemokratie im Raum Leipzig und Sachsen!

 

 

Heute an dieser Stelle Richard Lipinski ehren zu können, steht als Zeichen des Wandels in Europa im Allgemeinen und in Deutschland im Besonderen!

Im Ostteil des   heutigen Deutschlands
wurde er als sogenannter rechter Sozialdemokrat eingestuft (was immer dies bei einem Mann, welcher 1917 99% der Leipziger Sozialdemokraten   in der USPD einstweilige   Heimat gab, auch heißen möge   ...), und von den kommunistischen Geschichtsegoisten des vergangenen Regimes keines Wortes für würdig befunden. Deshalb haben wir Spätgeborenen heute Mühe, Richard Lipinski in seinem Wirken und in seiner Persönlichkeit voll zu erfassen.

 

Wir, die Leipziger Sozialdemokraten des SPD-Jahrganges 1989 sind angehalten, nach unseren Wurzeln zu suchen! Wer seine Ursprünge nicht kennt oder sich nicht bemüht, Entscheidungen und Wege seiner Altvorderen zu ergründen, verschenkt wertvollen Boden. Da die Geschichte in vielfältiger Art und Weise unsere gegenwärtigen Geschicke bestimmt, ist   es von Bedeutung, den Grund der eigenen Geschichte zu erkunden. Natürlich nicht, um sich selbstzufrieden darin einzubetonieren, wohl aber aus der Kraft dieses Bodens schöpfend!

Wir fühlen uns aufgerufen, Richard Lipinski Weg zu überdenken
bzw. nachzuvollziehen.

 

 

 

In der Frage der Bewilligung der Kriegskredite 1914 und 1917 und dem daraus folgenden Bruch des Leipziger SPD-Bezirkes mit der Mutterpartei, vertrat Richard Lipinski einen konsequenten Standpunkt. Als Demokrat lehnte er ebenso konsequent eine Zusammenarbeit mit der KPD ab.

 

Soziale Gerechtigkeit ja - Terror und Destabilisierung nein, dies erklärend zu seiner Haltung.

Ein Gedanke hierzu: Wie hätte
wohl   Richard Lipinski an unserer Stelle 1990 in der Volkskammer entschieden? Wir wollten die Einheit Deutschlands und nicht mit der ehemals staatstragenden Partei gemeinsam auf die Oppositionsbank. !

 

Wir sind keine fanatischen Vergangenheitsanbeter, doch haben wir allen Grund, Richard Lipinski einen Ehrenplatz in unseren Herzen zu geben. Wir ehren heute den langjährigen Vorsitzenden des Leipziger SPD-Bezirkes, den sächsischen Ministerpräsidenten und Innenminister und den mutigen Reichstagsabgeordneten, welcher gemeinsam mit Otto Wels   und seiner Fraktion am 23. März 1933 in der Berliner Krolloper Hitlers Ermächtigungs­gesetz ablehnte.

Otto Wels schleuderte damals auch für Richard
Lipinski die uns heute noch verpflichtenden Worte den Nazis ins Gesicht:  "Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht!“ Dieser Todesmut für die Sache der Freiheit und der Demokratie entschied auch Lipinskis Schicksal. Er starb an den Folgen von Haft und Misshandlungen durch die Nazis am 18. April 1936 im Alter von 69 Jahren.

 

Lassen Sie uns bitte eine Minute im stillen Gedenken an den Menschen und Sozialdemokraten Richard Lipinski verweilen!

 

1996 mußte die SPD als Eigentümerin der Immobilie in der Rosa-Luxemburg-Straße 19 in Leipzig das SPD-Haus nach Richard Lipinski benennen. Es war ein harter Kampf mit der "Baracke" in Bonn, die lieber einen linken Sozialdemokraten als Namensstifter genommen hätte.