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Spekulationen und Fakten

 

 

 

 

Annette Heinisch

Im Verlauf des 26.09.2022 kam es zu mindestens zwei Explosionen an den vier Strängen der beiden Nord Stream Pipelines (1 und 2) in der Ostsee. Die Explosionen führten zu mehreren Lecks, wovon drei in den beiden Strängen der Nord Stream 1 – Pipeline nordöstlich von Bornholm auftraten, ein weiteres sich ca. 12 Seemeilen südöstlich von Bornholm in Strang A von Nord Stream 2 befindet. Die Lecks in der Nord Stream 1 – Pipeline sind in schwedischen Gewässern in einer Tiefe von ca. 88 m, das Leck von Nord Stream 2 in dänischem Hoheitsbereich in einer Tiefe von 70,1 m.

 

Mittlerweile hat Russland bekannt gegeben, dass Gaslieferungen durch die von Sanktionen betroffene Nord Stream 2 – Pipeline, die noch keine Betriebsgenehmigung hat, möglich sind.

 

Nach den Explosionen kam es zu Spekulationen über den möglichen Verursacher, wobei besonders der Umstand, dass mehrere Schiffe der US Navy im August und September an Nato – Manövern in der Ostsee teilgenommen hatten, Aufmerksamkeit erregte. Diese hatten allerdings bereits am 22.09.2022 den Fehmarn – Belt Richtung Westen passiert und waren stets aufmerksam begleitet von russischen U – Booten.

Welche Fakten gibt es, auf deren Grundlage man sich eine fundierte Meinung bilden kann?

 

Objektive Rückschlüsse aus dem Ort der Explosionen

Zunächst einmal lassen sich aus den o. g. Informationen einige Erkenntnisse gewinnen. Die Explosionsstellen, speziell die bei Nord Stream 1, befinden sich im Bereich sehr stark befahrener Schifffahrtsstraßen. Dies kann jedermann erkennen, der sich das Schiffsradar Ostsee anschaut. Zwar ist der Verkehr bei der Explosionsstelle derzeit umgeleitet, aber dass die Gegend zwischen Bornholm und Karlskrona dicht befahren ist, ist klar erkennbar. Zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels war die Explosionsstelle durch die Anwesenheit des schwedischen Kriegsschiffs A 214 markiert. Weniger stark, aber immer noch gut befahren ist die Stelle der zweiten Explosion. Es handelt sich also nicht um einsame Bereiche.

 

Als nächstes sind die Tiefen interessant, denn ab ca. 40 m fängt das sogenannte Tieftauchen an. „Sicher ist aber, dass ab einer Tiefe von etwa 30 bis 40 m die Gefahr eines Tiefenrauschs sehr wahrscheinlich wird und ab einer Wassertiefe von 66 m der Sauerstoff in der Luft toxisch wird, da ab dieser Tiefe der Partialdruck von Sauerstoff über der kritischen Grenze von 1,6 bar liegen würde. Deshalb muss darunter mit anderen Atemgas-Gemischen und nach teilweise anderen Regeln und anderer oder zusätzlicher Ausrüstung getaucht werden. Das Risiko für Tauchunfälle wird ab diesen Wassertiefen größer, weshalb Tieftauchgänge unterhalb von 40 m nur von erfahrenen Tauchern unternommen werden sollten.“

Professionelle Taucher nutzen das sogenannte Sättigungstauchen mit stationären Druckkammern auf Begleitschiffen. In größeren Tiefen werden auch kabelgeführte Unterwasserfahrzeuge eingesetzt, die ferngesteuert werden (Remotely Operated underwater Vehicles, ROV) oder autonom agierende Fahrzeuge (Autonomous Underwater Vehicles, AUV). In allen Fällen ist ein Begleitschiff erforderlich, von dem diese ausgesetzt werden und eine Mannschaft, die sie bedient oder programmiert. Über derartige Fähigkeiten und Ausrüstung verfügen nur Fachunternehmen oder Staaten.

 

Deutlich ist, dass es schwierig wäre, so ein Unterfangen unbemerkt auf diesen viel befahrenen und gut überwachten Schifffahrtsrouten durchzuführen.

Hinzu kommt, dass es in diesen Tiefen völlig dunkel ist. Wo die Pipelines an Land kommen, kann man sehen. Wer aber nicht die absolut exakten Koordinaten der Röhren kennt und mithilfe einer beschwerten Leine als Lot zu diesen gerade hinabtaucht, wird außerordentliche Probleme haben, diese überhaupt zu finden. Schon geringfügige Abweichungen von der Senkrechten beim Tauchen können bei einer Tiefe von 80 m oder mehr dazu führen, dass man an einer ganz anderen Stelle auf dem Boden ankommt als geplant.

 

Objektive Rückschlüsse aus der Konstruktion der Röhren

Die Konstruktion der Röhren lässt sich aus den offiziellen Unterlagen von Nord Stream entnehmen. In Kapitel 4 „Projektbeschreibung“ (Tab. 4.2) wird dargelegt, dass die Röhren über einen Innendurchmesser von 1.153 mm verfügen. Die Wanddicke des Stahlrohrs beträgt zwischen 26,8 und 34,6 mm. In einer neueren offiziellen Verlautbarung von Nord Stream wird eine Stahldicke von 41 mm genannt. Hinzu kommt eine Betonummantelung, welche eine Stärke von 60-110 mm und eine maximale Festigkeit von 3.040 kg/m3 besitzt. Der Eisenerzanteil beträgt 70 % des Betondeckungsgewichts. Die Betonummantelung wird durch Einlage von geschweißten Betonstahlmatten mit einem minimalen Bewehrungsstabdurchmesser von

6 mm bewehrt.

 

Die Pipelines wurden an der Küste sowie in küstennahen Gewässern in Gräben verlegt und mit dem Aushub abgedeckt, in tieferen Gewässern wurden sie in einigen Abschnitten mit Kies abgedeckt. Diese Abdeckung dient sowohl der Verhinderung eines Aufschwimmens wie auch dem Schutz der Pipeline. Welche Abschnitte dies genau sind, lässt sich der Projektbeschreibung nicht entnehmen.

 

Diese erheblichen Maßnahmen gegen äußere Einwirkungen sind zum einen bedingt durch den Schutz vor Gefahren aus dem nautischen Bereich (Beschädigung durch Anker, sinkende Schiffe, Schleppnetze u. ä.), aber auch speziell vor dem Hintergrund, dass sich in der Ostsee noch Kampfmittel aus dem 2. Weltkrieg befinden. Es mussten umfangreiche Studien zu den vorhandenen Kampfmitteln erstellt werden, ein Bereich mit chemischen Waffen musste beim Bau gänzlich umgangen werden. Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass z. B. eine noch scharfe Mine die Pipeline trifft. Um vor derartigen Beschädigungen geschützt zu sein, wurden die Pipelines sozusagen „bunkergleich“ gebaut. Daher ist eine sehr gezielte Sprengung mit enormer Sprengwirkung erforderlich, um die Pipeline zu zerstören.

 

Jede Rohrdurchleitung endet an voll verschweißten Molchempfängern, die mit Hilfe eines doppelt abdichtenden Absperrschiebers abgetrennt sind. Bei den sogenannten Molchen handelt es sich um interne Messgeräte, welche die Inspektion der Pipelines vornehmen. Die eingesetzten hochauflösenden Messverfahren können selbst kleinste Veränderungen an der Pipeline entdecken. Auch die genaue geographische Lage der Pipeline wird überprüft um sicherzustellen, dass die Lagestabilität seit der Verlegung unverändert ist. Die Instandhaltungsmaßnahmen umfassen außerdem die äußere visuelle und mit Messinstrumenten gestützte Inspektion der Pipeline, die von Versorgungschiffen aus mittels ferngesteuerter Unterwasserahrzeuge (ROV) durchgeführt wird. Die äußere Inspektion stellt sicher, dass sich die Position der Pipeline nicht verändert hat, zum Beispiel aufgrund von Veränderungen im Meeresboden. Dabei werden außerdem Fremdkörper an den Röhren identifiziert.

 

Für die interne Inspektion werden verschiedene Arten von Molchen an den Molchschleusen in Russland eingesetzt, es gibt z. B. Reinigungs-, Kalibrier- und sogenannte intelligente Molche. Ein intelligenter Molch wiegt über 7,3 Tonnen und ist 6,6 Meter lang. Batterien versorgen die Sensoren während der Inspektion mit Strom, ein Hochleistungsspeichermedium sammelt die Daten zur Analyse.

Es wird davon ausgegangen, dass die Röhren zugleich für militärische Zwecke - nicht nur aber auch speziell für U – Boot Ortung - ausgelegt wurden und daher über weitere Sensoren verfügen:

“The planned Nord Stream 2 gas pipeline from Russia to Germany raises US intelligence and military concerns since it would allow Moscow to place new listening and monitoring technology in the Baltic Sea, a senior US official said.”

Für diese Behauptung gibt es keine Beweise, jedoch ist es als überwiegend wahrscheinlich anzusehen, dass dies passiert ist. Anders ausgedrückt: Russland wäre dumm gewesen, diese Chance nicht zu nutzen.

Über Notabsperrventile, die jeweils 100 t schwer sind, wird jede Nord Stream - Pipeline im Notfall gesperrt.

 

Schlussfolgerung

Betrachtet man die o. g. Fakten, so ist es möglich, die Pipelines von außen zu sprengen. Ein solches Unterfangen hat jedoch erhebliche Hürden zu gewärtigen und das Risiko der Entdeckung ist hoch. Dies gilt nicht nur für Sichtungen auf offenem Meer, sondern auch unter Wasser aufgrund der umfangreichen Überwachung der Pipelines durch Russland.

Demgegenüber ist eine Anbringung von Sprengladungen mittels Molchen von innen problemlos und unsichtbar möglich unabhängig davon, ob ohnehin eventuell Sprengladungen bereits beim Bau installiert wurden. Zudem ist die Sprengwirkung von innen größer, weil zunächst lediglich die Stahlummantelung zerstört werden muss, anschließend durch die Sprengung Risse in der Betonummantelung entstehen, die mit Hilfe des Gases, welches mit Druck durch die Pipeline befördert wird, den Betonmantel zerstört. Im umgekehrten Fall müsste zunächst der Betonschutz zerstört werden und anschließend noch das Stahlrohr.

Die Fakten schließen also nicht aus, dass die Pipelines von außen gesprengt wurden. Für einen solchen Anschlag kämen zahlreiche Gruppen/Staaten in Betracht, denn Nord Stream – Gegner sind nicht nur die USA, sondern auch die europäischen Partner. Deutschland war (und ist) insoweit isoliert. Die Fakten zeigen aber, dass eine interne Sprengung deutlich einfacher wäre, weshalb der Verdacht, dass Russland der Täter ist, keineswegs auf weltanschaulich geprägten Sichtweisen beruhen muss. Ob eine Feststellung der Sprengrichtung in dieser Tiefe und bei den Gegebenheiten möglich ist, scheint fraglich. Insgesamt dürfte die forensische Aufklärung des Sachverhalts schwierig werden.

Unabhängig davon ist deutlich geworden, welche Gefahren die Abhängigkeit von Energielieferungen aus dem Ausland beinhaltet. Jede Regierung, die diese Abhängigkeit herbeiführt oder nicht korrigiert, unterminiert die Souveränität Deutschlands. Dieses war seit der Ölkrise bekannt. Auch derzeit arbeiten die Energieförderländer eng mit Russland zusammen, d. h. Energieimporte aus diesen Staaten sind keine Lösung. Weitgehende Unabhängigkeit muss das Ziel sein.

 

Zielkonflikt

Die Grünen verfolgen das Ziel des „degrowth“, also des Niedergangs. Deindustrialisierung und damit verbundene Armut streben sie an. Dies ist kein Geheimnis, daher ist es kein Wunder, dass sämtliche möglichen Maßnahmen, die drohende Energiekrise abzuwenden, nicht ergriffen werden.

Bekannt ist, dass Deutschland nicht allein mit „Erneuerbaren Energien“ funktionieren kann. Ergo müssen die ausfallenden Gaslieferungen ersetzt werden, Gas dürfte nicht mehr zur Verstromung benutzt werden. Folglich hätte umgehend mit Fracking begonnen werden müssen. Zwischenzeitlich hat sich herumgesprochen, dass Deutschland ausreichend Gasvorräte hat, um sich Jahrzehnte selbst zu versorgen. Die Bedenken, die es dagegen gibt und die nach neuesten Veröffentlichungen wohl von Russland gefördert wurden, sind bei Anwendung deutscher Sicherheitsstandards gegenstandslos. Hätte man mit der Förderung zu Beginn des russischen Angriffskrieges begonnen, hätten wir bereits jetzt kein Gasproblem mehr. Jeder weitere Tag, in denen deutsche Gasreserven nicht genutzt werden, ist ein verlorener Tag. Auch eigene Kohle müsste ebenso wie Kernkraft wieder eingesetzt werden.

Dass man in der derzeitigen Lage die letzten drei Kernkraftwerke am Netz lassen muss und zusätzlich bereits abgeschaltete so weit wie möglich wieder ans Netz nimmt, bedarf keiner weiteren Erklärung. Dieses nicht zu tun, beweist den politischen Vorsatz: Da der Handlungsbedarf offensichtlich ist, ist es kein Missgeschick oder Dummheit, sondern zielgerichtetes (der Jurist würde sagen finales) Handeln. Es passiert genau das, was die Grünen wollen. Armut, welche die meisten Grünen – Wähler nicht selbst betrifft, wird dabei als adelnde Askese ausgegeben.

 

Dass die anderen Regierungsparteien dies mitmachen, offenbart politische Verwahrlosung. Wenn sie das Ziel des Niedergangs Deutschlands nicht teilten, dürften sie diese Politik nicht zulassen. Können sie diese nicht verhindern – was derzeit deutlich ist – dürfen sie nicht auch noch mitmachen. Sie machen sich in einem Maße mitschuldig, welches ihnen jede politische Zukunft raubt.

 

Die Energiekrise ist von all den zahlreichen Problemen, vor denen Deutschland steht, die am einfachsten zu bewältigende. Es ist mehr als bedauerlich, dass die Nichtabschaltung der Kernkraftwerke mittels einer Petition von Wissenschaftlern, deren Zeichnungsfrist noch bis zum 14.10.2022 läuft (sie hat derzeit noch nicht die nötigen 50.000 Unterschriften) gefordert werden muss.

 

Es gibt es einen Zielkonflikt zwischen den Zielen (großer Teile) des Volkes und denen seiner gewählten Vertreter. Jeder, der mit den Grünen oder nach ihren Vorstellungen des „degrowth“ regiert, trägt dabei zum Niedergang Deutschlands bei.